VISCHER ist eine Schweizer Anwaltskanzlei, die sich der rechtlichen Lösung von Geschäfts-, Steuer- und Regulierungsfragen widmet.
SWISS LAW AND TAX
Dienstleistungen
Immaterialgüterrecht
Life Sciences, Pharma, Biotechnologie
Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit
Lernen Sie unser Team kennen
Unser Know-how, unsere Expertise und unsere Publikationen
Alle anzeigen
Events
Blog
Karriere
Kategorien: Steuern, Blog
Leitentscheid des Schweizerischen Bundesgerichts (9C_135/2023)
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 6. Juni 2024, eine börsenkotierte Gesellschaft betreffend, festgehalten, der steuerneutral verbuchte Erlös aus dem Verkauf von eigenen Aktien an Mitarbeiter stelle keinen steuerbaren Ertrag, sondern eine steuerneutrale Kapitaleinlage dar.
Sachverhalt
In Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften hatte der Konzern eigene Aktien, die für ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm bestimmt waren, handelsrechtlich in der Bilanz als Minusreserve ausgewiesen. Aus dem Verkauf resultierte ein "Gewinn", d.h. ein Mehrerlös in der Differenz zwischen dem Wiederbegebungspreis im Rahmen des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms und den tieferen Anschaffungskosten der betreffenden Aktien. Offenbar war der Kurswert der betreffenden Aktien in der Zwischenzeit deutlich angestiegen. Der Konzern buchte den Mehrerlös erfolgsneutral in die gesetzliche Kapitalreserve ein. Dieses Vorgehen ist unbestrittenermassen handelsrechtlich korrekt. Das kantonale Steueramt und hernach die Eidgenössische Steuerverwaltung beriefen sich demgegenüber auf eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift und qualifizierten den Mehrerlös als steuerbaren Kapitalgewinn. Hiergegen setzte sich die steuerpflichtige börsenkotierte Gesellschaft, vor erster Instanz (Steuerrekursgericht) noch erfolglos, vor zweiter Instanz (Verwaltungsgericht) aber mit Erfolg, zur Wehr. Das Bundesgericht bestätigte nun mit seinem Urteil vom 6. Juni 2024 den verwaltungsgerichtlichen Entscheid zu Gunsten der Steuerpflichtigen.
Erwägungen
Grundlage des Entscheids ist das so genannte Massgeblichkeitsprinzip. Mit anderen Worten ist Ausgangslage für die Ermittlung des Reingewinns eines Unternehmens die handelsrechtskonforme Rechnungslegung, d.h. der Gewinn, wie er in der Erfolgsrechnung dargestellt wurde. Von diesem Ergebnis darf nur dann abgewichen werden, wenn das Gesetz eine ausdrückliche Korrekturnorm enthält, welche das erwähnte Massgeblichkeitsprinzip durchbricht. Das Bundesgericht kam nach eingehender Prüfung zum Schluss, vorliegend fehle es an einer solche Korrekturnorm, insbesondere könne Art. 58 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) betreffend Kapital-, Aufwertungs- und Liquidationsgewinne nicht zur Begründung eines steuerbaren Gewinnes herangezogen werden.
Im konsequent und sehr logisch begründeten Urteil hielt das Bundesgericht mithin fest, dass beim Erwerb eigener Aktien eine Gesellschaft zunächst einmal entreichert werde. Der Erwerb eigener Aktien stellt mit anderen Worten einen Teilliquidationstatbestand dar, dessen Steuerfolgen nur bei Einhaltung der einschlägigen Vorschriften in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht ausbleiben. Die eigenen Aktien stellen aus Sicht der Gesellschaft keinen echten Vermögenswert dar. Da somit eine Entreicherung der Gesellschaft stattfindet, verlangt das seit 1. Januar 2013 in Kraft stehende Rechnungslegungsrecht denn auch den Ausweis einer Minusreserve und lässt mithin die Aktivierung der eigenen Aktien anders als früher nicht mehr zu. Im Ergebnis stellt der Rückkauf eigener Aktien also eine Art Kapitalherabsetzung dar.
Kommt es zur Wiederbegebung der zurückgekauften eigenen Aktien, ist der Minusposten handelsrechtlich wieder aufzulösen und, gleich wie eine Kapitalerhöhung, steuerneutral im Eigenkapital auszuweisen.
Das Bundesgericht erkannte, dass, wenn die eigenen Aktien handelsrechtlich nicht als Vermögenswert qualifizieren, auch bei deren Wiederbegebung nicht von einem Veräusserungsgewinn und somit nicht von einem Kapitalgewinn gesprochen werden könne. Dem ist beizupflichten.
Die Steuerverwaltung vermag sich nach Auffassung des Bundesgerichts auf keine steuerrechtliche Korrekturnorm zu stützen, die es erlauben würde, den "Wertzuwachs" der wiederbegebenen Aktien zu besteuern. Vielmehr ist der Wertzuwachsgewinn als steuerneutrale Kapitaleinlage im Sinne von Art. 60 lit. a DBG zu verbuchen.
Würdigung
Der Bundesgerichtsentscheid verdient uneingeschränkte Zustimmung. Er ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: zum einen hält das Bundesgericht wieder einmal das Massgeblichkeitsprinzip hoch. Zum anderen betont das Gericht das im Steuerrecht besonders ernst zu nehmende Legalitätsprinzip, indem ohne klare gesetzliche Grundlage nicht leichtfertig von einer entsprechenden Korrekturnorm ausgegangen werden darf. Schliesslich macht das Bundesgericht auch deutlich, dass nicht jeder Vermögenszuwachs zu einem steuerbaren Gewinn eines Unternehmens führen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Unternehmen eine Leistung erbringt oder einen echten Vermögenswert veräussert. Selbstredend gilt der Entscheid nicht nur für Fälle im Zusammenhang mit Mitarbeiteraktien, sondern auch für andere Situationen, in denen eine Gesellschaft zuvor erworbene eigene Aktien wiederbegibt.
Autor: Christoph Niederer
Rechtsanwalt, dipl. Steuerexperte
Die Gründer von Santis Pharma, einem französisch-schweizerischen Laborunternehmen, das...
Die Diskussion um die Erbschaftssteuerinitiative der JUSO («Für eine soziale Klimapolitik –...
(Aus-)Nutzung des interkantonalen Steuerwettbewerbs mittels Sitzgesellschaften – Eine Frage der...