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11. April 2022 Der Adoptionsurlaub

Bei einer Adoption haben die beiden Elternteile aktuell keinen Anspruch auf einen gesetzlich geregelten Urlaub bzw. eine Entschädigung für die Zeit der ersten Eingewöhnungsphase des Adoptivkindes in der neuen Familie. Dies ändert sich in Zukunft. Sowohl Adoptivmütter als auch Adoptivväter haben zukünftig einen gesetzlichen Anspruch auf zwei Wochen bezahlten Adoptionsurlaub.

Ausgangslage: Keine bezahlte Urlaubszeit bei einer Adoption

Erst vor kurzem wurde in der Volksabstimmung vom 27. September 2020 die Vorlage für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub angenommen. Die Vorlage ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Seither können Väter innerhalb von sechs Monaten ab Geburt ihres Kindes zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub beziehen (siehe dazu den Blogbeitrag vom 28. Oktober 2020 zum Vaterschaftsurlaub).

Der Ruf nach grosszügigeren Elternzeitmodellen hat sich in der Vergangenheit jedoch nicht nur im Zuge der Gleichstellung von Mann und Frau bemerkbar gemacht. Der wachsende Bedarf an Betreuung und Pflege, die neuen Formen des familiären Zusammenlebens sowie die stetig zunehmende Erwerbsquote bei Frauen haben auch im Bereich der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinder- bzw. Angehörigenbetreuung zu einer Reform geführt. Seit dem 1. Januar 2021 bzw. 1. Juli 2021 statuiert das Gesetz einen Anspruch auf einen bezahlten Betreuungsurlaub von bis zu drei Tagen für die notwendige Betreuung von Angehörigen respektive von bis zu 14 Wochen für die Betreuung von gesundheitlich schwer beeinträchtigen Kindern (siehe dazu den Blogbeitrag vom 27. November 2020, zum  Betreuungsurlaub).

Von der Erweiterung der Urlaube für Mütter und Väter und der damit einhergehenden Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit blieb der Bereich der Adoption bis dato unberührt. Obwohl das Anliegen einer Adoptionsentschädigung bereits Gegenstand mehrerer parlamentarischer Debatten war, hatten Eltern, die ein Kind adoptierten, bis anhin keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub, wenn sie das Kind bei sich aufnahmen.

Die in dieser Hinsicht bestehende gesetzliche Diskrepanz zwischen dem durch Geburt entstandenen Kindesverhältnis und den vergleichbaren Herausforderungen für Adoptiveltern wurde in den parlamentarischen Beratungen als überholt angesehen.

Neu: Zwei Wochen Adoptionsurlaub

Bis anhin war es Sache der Kantone, auf kantonaler Ebene aktiv zu werden und Adoptionsentschädigungen vorzusehen. Von dieser durch das Bundesgesetz über den Erwerbsersatz (EOG) eingeräumten Kompetenz hatten allerdings nur zwei Kantone Gebrauch gemacht.

Mit der parlamentarischen Initiative "Einführung einer Adoptionsentschädigung" vom 12. Dezember 2013 wurde die Einführung eines zwölfwöchigen bundesrechtlich geregelten und über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigten Adoptionsurlaubes verlangt. Aus Rücksicht auf die Anliegen der Wirtschaft reduzierte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) die Dauer des Urlaubs in dem von ihr ausgearbeiteten Vorschlag auf zwei Wochen. Im Rahmen der Vernehmlassung wurde der Vorschlag der SGK-N kontrovers diskutiert.

Sämtlichen Widerständen zum Trotz verabschiedete die SGK-N am 5. Juli 2019 einen Erlassentwurf zuhanden des Nationalrates. Die in der Folge durch die Räte ausgearbeitete Gesetzesänderung wurde am 1. Oktober 2021 in der Schlussabstimmung angenommen.

Die Referendumsfrist gegen die entsprechende Vorlage des Parlaments ist am 20. Januar 2022 unbenützt abgelaufen. Gemäss dem Bundesamt für Versicherungen (BSV) werden die Änderungen voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Der Bundesrat muss das Inkrafttreten noch definitiv beschliessen.

Wer hat Anspruch auf bezahlten Adoptionsurlaub?

Einen Anspruch auf Adoptionsentschädigung haben Personen, die ein weniger als vier Jahre altes Kind zur Adoption aufnehmen und (i) während der neun Monate unmittelbar vor Aufnahme des Kindes im Sinne des AHVG obligatorisch versichert gewesen sind, (ii) in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben sowie (iii) im Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes Arbeitnehmende oder Selbstständigerwerbende gewesen sind oder im Betrieb des Ehegatten mitgearbeitet und einen Barlohn bezogen haben (vgl. Art. 16t Abs. 1 revEOG).

Der Adoptionsurlaub ist eine notwendige Ergänzung zur Adoptionsentschädigung. Nach dem Obligationenrecht (OR) soll allerdings nur dann ein Adoptionsurlaub zugestanden werden, wenn dieser auch über die EO entschädigt wird (vgl. Art. 329j Abs. 1 revOR). Sprich, nur wer die Voraussetzungen einer Adoptionsentschädigung gemäss EOG erfüllt, hat auch einen Anspruch auf Adoptionsurlaub.

Im Falle einer gemeinschaftlichen Adoption entsteht ein Anspruch auf bezahlten Adoptionsurlaub nur einmal, und zwar nur dann, wenn beide Elternteile die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen (vgl. Art. 16t Abs. 2 revEOG). Aus Respekt vor der Gleichberechtigung in der Familie sieht das Gesetz jedoch vor, dass die Adoptiveltern frei wählen können, wer von ihnen die Entschädigung in Form des bezahlten Urlaubs bezieht. Eine Aufteilung unter den Elternteilen ist ebenfalls möglich (vgl. Art. 16t Abs. 3 revEOG sowie auch Art. 329j Abs. 3 revOR).

Analog zur Geburt von Mehrlingen, die auch nur eine Mutterschaftsentschädigung auslöst, soll auch bei einer gleichzeitigen Adoption von mehreren Kindern nur eine Entschädigung ausgerichtet werden (vgl. Art. 16t Abs. 4 revEOG).

Keinen Anspruch auf bezahlten Adoptionsurlaub erhält, wer das Kind der Partnerin oder des Partners (Stiefkinder) adoptiert (vgl. Art. 16t Abs. 5 revEOG).

Wie hoch ist die finanzielle Entschädigung?

Die Entschädigung wird als Taggeld ausgerichtet. Es besteht Anspruch auf höchstens 14 Taggelder. Wird der Urlaub wochenweise bezogen, so werden pro Woche sieben Taggelder ausgerichtet. Wird der Urlaub tageweise bezogen, so werden pro fünf entschädigte Tage zusätzlich zwei Taggelder ausgerichtet (vgl. Art. 16v revEOG).

Wie bei der Mutter- oder Vaterschaftsentschädigung beträgt das Taggeld der EO 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor dem Beginn des Urlaubs erzielt worden ist, höchstens aber 196 Franken pro Tag (vgl. Art. 16w i.V.m. Art. 16f revEOG).

Wann kann der Adoptionsurlaub bezogen werden?

Im Unterschied zum Mutterschaftsurlaub, welcher ab dem Tag der Geburt des Kindes beginnt, muss der Adoptionsurlaub nicht am Tag der Aufnahme des Kindes in die Familie bezogen werden. Es steht dem/der Anspruchsberechtigten vielmehr frei, diesen innerhalb eines Jahres nach der Aufnahme des Kindes in Anspruch zu nehmen (vgl. Art. 16u revEOG). Binnen dieser Rahmenfrist kann gewählt werden, ob der Adoptionsurlaub Urlaub wochen- oder tageweise bezogen wird (vgl. Art. 329j Abs. 4 revOR).

Die Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Adoptionsentschädigung beträgt fünf Jahre nach Ablauf der Rahmenfrist. Nach Ablauf dieser Zeit erlischt der Anspruch auf nicht bezogene Entschädigungen (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. e revEOG)

Ausblick

Die neue gesetzliche Ausgestaltung unterstützt nun auch all diejenigen Familien, die sich für die Adoption eines Kindes entschieden haben. Dennoch dürfte das letzte Wort zu bezahlter Elternzeit noch nicht gesprochen sein. Derweil wird bereits die Einführung eines bezahlten Elternurlaubs thematisiert, wie ihn z.B. das geltende EU-Recht vorsieht. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich in der sogenannten EU-Vereinbarkeitsrichtlinie dazu verpflichtet, für alle Arbeitnehmenden einen individuellen Anspruch auf Elternurlaub von mindestens vier Monaten bei Geburt oder Adoption eines Kindes einzuführen. Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie muss von den EU-Mitgliedstaaten bis 2. August 2022 umgesetzt werden. In Anbetracht der jüngsten Vergangenheit dürfte es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch der Gesetzgeber in der Schweiz mit diesem Thema zu befassen hat.

Bei Fragen zum Thema steht Ihnen unser Arbeitsrechtsteam jederzeit gerne zur Verfügung.

Autorin: Anela Lucic

Autorin