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Kategorien: Energie, Environmental, Social and Governance (ESG), Blog
Im neuen Umweltschutzgesetz wird der Grundsatz der Ressourcenschonung, eine neue Abfallverwertungshierarchie und ein Litteringverbot verankert.
National- und Ständerat haben am 15. März 2024 eine Änderung des Umweltschutzgesetzes (USG, SR 814.01) beschlossen. Die Schweiz will sich mit der geplanten Gesetzesänderung ausdrücklich zur Kreislaufwirtschaft bekennen. Angestossen wurde die Gesetzesänderung durch eine Vielzahl politischer Vorstösse, namentlich die parlamentarische Initiative 20.433 "Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken".
Mit der vorgesehenen Änderung des USG wird der Grundsatz der Schonung der Ressourcen und der Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Gesetz verankert. Die Umweltbelastung durch Produkte und Bauwerke soll reduziert, Materialkreisläufe sollen geschlossen und die Ressourceneffizienz soll verbessert werden. Dem in nArt. 10h USG verankerten Grundsatz wird ein eigenes Kapitel im ersten Titel des USG gewidmet, was zusätzlich unterstreicht, welche Bedeutung ihm das Parlament beimisst.
Das USG wird zudem an weiteren Stellen und dabei insbesondere im Kapitel zum Abfallrecht ergänzt. Der Bundesrat erhält die Kompetenz, diverse Fragen detailliert zu regeln, und Bund und Kantone sollen ihre Gesetzgebung regelmässig auf Kompatibilität mit den neuen Grundsätzen überprüfen (nArt. 10h Abs. 3 USG). Zudem muss der Bundesrat dem Parlament regelmässig Bericht über den Verbrauch natürlicher Ressourcen und die Entwicklung der Ressourceneffizienz erstatten (nArt. 10h Abs. 2 USG). Insbesondere die Messbarkeit der Entwicklungen dürfte dabei eine Herausforderung darstellen.
Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten gesetzlichen Neuerungen dar, die mit diesem Bekenntnis zur Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft einhergehen.
In einer ressourcenschonenden Wirtschaft gilt es, Abfälle nach Möglichkeit zu vermeiden und Ressourcen wieder zu verwenden. Das bisherige Recht zur Abfallverwertung verankerte keine Verwertungshierarchie. Ein Vorrang der stofflichen Verwertung vor anderen Verwertungsarten ergab sich bloss aus gewissen Spezialverordnungen wie etwa der Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA, Art. 13 ff.), der Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG, Art. 10) oder der Verordnung über Getränkeverpackungen (VGV, Art. 2 Abs. 3). Neu hält nArt. 30d USG klar fest, dass Abfälle primär der Wiederverwendung oder einer stofflichen Verwertung zugeführt werden müssen. Die stoffliche Verwertung hat insbesondere bei fünf explizit aufgeführten Materialkategorien Priorität: Metalle, Aushub- und Ausbruchmaterial, Phosphor, kompostier- oder vergärbare Abfälle und Stickstoffe. Erst wenn weder Wiederverwendung noch stoffliche Verwertung technisch möglich sind oder dies wirtschaftlich nicht tragbar ist, kann eine energetische Verwertung in Betracht kommen.
Die Wiederverwendung wird der stofflichen Verwertung gleichgestellt. Als solche qualifizieren beispielsweise die direkte Weiterverwendung eines Produkts, dessen Reparatur oder ein Wiederverkauf. Wird ein Produkt wiederverwendet, handelt es sich um direkte Vermeidung von Abfällen (Art. 30 Abs. 1 USG). Werden die Produkte und Materialien öffentlich gesammelt oder zurückgenommen und im Anschluss wiederverwendet, handelt es sich rechtlich gesehen um einen Fall der Abfallverwertung (nArt. 30d Abs. 1 USG), der zudem mit einer finanziellen Entschädigung gefördert werden soll (nArt. 32abis und 32ater USG). Dadurch soll ein wirtschaftlicher Anreiz geschaffen werden, Ressourcen im Wirtschaftskreislauf zu belassen, statt sie zu entsorgen.
Nicht ins Gesetz aufgenommen wurde eine Verpflichtung des Bundesrats, Einwegprodukte, deren Nutzen ihre Umweltbelastung nicht rechtfertigt, einer Kostenpflicht zu unterstellen oder diese zu verbieten. Die diesbezügliche Kannvorschrift in Art. 30a USG bleibt also unverändert.
Gestützt auf Art. 31b Abs. 1 USG besteht im Bereich der Siedlungsabfälle ein kantonales Abfallmonopol. Aufgrund dessen ist es nur dem Gemeinwesen (i.d.R. Kanton, Gemeinde oder Zweckverband, abhängig von der jeweiligen kantonalen Regelung) gestattet, Siedlungsabfälle zu entsorgen, zu sammeln, zu befördern, zwischenzulagern und zu behandeln (Art. 7 Abs. 6bis USG). Dies hatte bislang zur Folge, dass private Anbieter insb. die Abfälle aus Haushalten (Art. 3 lit. a VVEA, Siedlungsabfälle) nur mit einer Konzession des zuständigen Gemeinwesens sammeln und entsorgen durften.
Neu sieht das USG eine Lockerung des Siedlungsabfallmonopols vor. Gestützt auf nArt. 31b Abs. 4 USG kann der Bundesrat Siedlungsabfälle bezeichnen, die freiwillig und konzessionsfrei durch private Anbieter gesammelt werden dürfen. Mit dieser Liberalisierung sollen entsprechende Geschäftsmodelle gefördert und soll die Verwertung der Abfälle verbessert werden. Dadurch wird beispielsweise für Kunststoffe (Plastik) eine höhere Recyclingquote erwartet.
Bislang gab es keine national einheitlichen Litteringvorschriften. Es war daher Sache jedes Gemeinwesens, allfällige Verbote für Littering und diesbezügliche Sanktionen (Bussen) zu erlassen. Neu wird in nArt. 31b Abs. 7 USG ein bundesrechtliches Verbot von Littering verankert. Selbst kleine Mengen von Abfall wie etwa Verpackungen und Zigarettenstummel dürfen nicht weggeworfen und liegengelassen werden, sondern müssen in dafür vorgesehenen Sammlungen entsorgt werden. Ein Verstoss gegen das Litteringverbot wird mit einer Litteringbusse von bis zu CHF 300 bestraft (nArt. 61 Abs. 4 USG).
nArt. 35i E-USG räumt dem Bundesrat die Kompetenz ein, Anforderungen an das Inverkehrbringen von Produkten (und Verpackungen) festzulegen; mithin soll die ressourcenschonende Produktgestaltung gefördert werden. Dazu gehören beispielsweise Anforderungen an die Verwertbarkeit von Produkten und Verpackungen (Lebensdauer, Ersatzteile, Reparierbarkeit) sowie die Vermeidung von schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt während des Lebenszyklus des Produkts. Um den Konsumenten eine informationsbasierte (Kauf-) Entscheidung bei Produkten und Verpackungen zu erleichtern, gehören hierzu auch Vorgaben zur Kennzeichnung und Information. Durch diese Vorgaben soll die Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten erhöht werden; Vorgaben und Informationen zu Wartung, Reparatur und Wiederverwendung sollen ein langlebiges Produktdesign fördern.
Der Bundesrat wird ferner ermächtigt, einen Reparatur-Index einzuführen. Anhand des Reparatur-Indexes kann sich der Konsument beim Kauf eines Produkts darüber informieren, ob und wie sich das Produkt im Schadensfall reparieren lässt. Vorbild für einen solchen Reparatur-Index bietet namentlich die Praxis in Frankreich, wo gewisse Produkte seit einigen Jahren mit einem Punkte-Index von nicht reparierbar (0) bis sehr einfach und gut reparierbar (10) bewertet werden.
Angesichts der Bedeutung des Bausektors für den Ressourcenverbrauch erstaunt es nicht, dass die geplanten Änderungen des USG auch Vorgaben zum ressourcenschonenden Bauen beinhalten. nArt. 35j USG sieht vor, dass der Bundesrat Vorschriften zur (Wieder-)Verwendung umweltschonender oder recycelter Baustoffe und Bauteile sowie zum Rückbau von Bauwerken erlassen kann. In erster Linie sollen damit Massnahmen gefördert werden, die ohne grossen Mehraufwand umgesetzt werden können und dadurch die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche auf kosteneffiziente Weise voranbringen und den beschränkten Deponieraum entlasten. Zur Unterstützung kann der Bund Bauprodukte aus der Abfallverwertung auch gezielt fördern (nArt. 30d Abs. 7 USG).
Im Zusammenhang mit den neuen Vorschriften zum ressourcenschonenden Bauen ist auch eine Änderung des Energiegesetzes (EnG) geplant. Den Kantonen wird ein Rechtsetzungsauftrag erteilt; sie sollen Grenzwerte für die bei Neubauten und bei wesentlichen Erneuerungen bestehender Gebäude aufgewendete graue Energie erlassen (nArt. 45 Abs. 3 lit. e EnG). Dadurch soll die Nachfrage nach Baumaterial mit tiefer grauer Energie gefördert und eine ressourcenschonende Bauweise unterstützt werden.
Um dem Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft Nachdruck zu verleihen und die Umsetzung des Grundsatzes zur Ressourcenschonung zu befördern, wird der Bund dazu verpflichtet, eine Vorbildfunktion wahrzunehmen.
Einerseits soll der Bund spezifisch in seiner Funktion als Bauherr bei der Planung, der Errichtung, dem Betrieb, der Erneuerung und dem Rückbau eigener Bauwerke vorbildlich handeln, indem er erhöhte Anforderungen an das ressourcenschonende Bauen und innovative Lösungen berücksichtigt (nArt. 35j Abs. 2 USG).
Andererseits soll der Bund allgemein im Bereich öffentlicher Beschaffungen in erhöhtem Masse Merkmale der Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung berücksichtigen. Hierfür wird die bisherige Kann-Bestimmung in Art. 30 Abs. 4 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) in eine Muss-Bestimmung geändert. Öffentliche Auftraggeber werden dadurch verpflichtet, ökologische Aspekte bei sämtlichen Beschaffungen (d.h. bei Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen) zu prüfen und, wo technisch möglich, zu berücksichtigen. Mit diesen Anforderungen soll sichergestellt werden, dass die mit öffentlichen Mitteln getätigten Beschaffungen erhöhten ökologischen Anforderungen genügen.
Mit den hier diskutierten Gesetzesänderungen bekennt sich die Schweiz ausdrücklich zur Kreislaufwirtschaft. Die vorrangige Pflicht zur Ressourcenschonung und Wiederverwendung dürfte Auswirkungen auf beinahe sämtliche Wirtschaftszweige haben. Die Verordnungsbestimmungen des Bundesrates werden im Einzelnen zeigen, welche konkreten Pflichten den Wettbewerbsteilnehmern auferlegt werden. Die Änderungen bieten dank Förderungskonzepten und einer Öffnung des Abfallmarktes aber auch Chancen für neue innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle.
Autoren: Klaus Neff und Barbara Meier
Rechtsanwalt
Rechtsanwältin
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