Close
Wonach suchen Sie?
Seite durchsuchen
31. März 2020 Coronavirus: Vertragsabschlüsse als "Home Office Challenge" – ein Cheat Sheet

 

Der Coronavirus stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität und Kreativität der Unternehmen: Weil viele Mitarbeitende im Home Office arbeiten, werden bislang eingespielte Abläufe durch neue ad-hoc Prozesse ersetzt. Zusätzlich verlangt die ausserordentliche Lage, dass viele Vertragsverhältnisse auf die neuen Gegebenheiten angepasst werden müssen.

Vielfach sehen Verträge für Vertragsänderungen die Schriftlichkeit vor – und damit die rechtsgültige Unterschrift von meist zwei zeichnungsberechtigten Personen eines Unternehmens. Vertragsänderungen und der Abschluss neuer Verträge werden so zur "Home Office Challenge". Mit den nachfolgenden Dos and Don'ts kann diese Challenge effizienter gemeistert werden:

 

Do: Vorgängiges Definieren eigener Formvorschriften bei neuen Verträgen

Auch wenn es zur vorsichtigen Geschäftsführung gehört, wesentliche Verträge schriftlich abzuschliessen und für deren Änderung die Schriftlichkeit zu verlangen, so schreibt das Gesetz nur in bestimmten Fällen die Schriftlichkeit als Formvorschrift vor (z.B. bei Konsumkreditverträgen). In den meisten Fällen steht es den Parteien aber frei, formlos Verträge zu schliessen bzw. eigene Formvorschriften zu definieren. So kann beispielsweise im Vertrag die Unterschrift mittels Tablet-Pen und anschliessender Zustellung an die Gegenpartei via E-Mail als Formvorschrift für allfällige Vertragsänderungen definiert werden.

Don't: Formvorschriften formlos lockern

Enthält ein Vertrag die Bestimmung, dass Vertragsänderungen schriftlich zu erfolgen haben, so gilt ohne andere Abrede die Schriftlichkeit im Sinne der gesetzlichen Formvorschrift (eigenhändige Unterschrift nach Art. 13 f. OR). Wenn sich die Parteien somit per E-Mail darauf einigen, Vertragsänderungen in Zukunft per E-Mail zuzulassen, so erfolgt dies grundsätzlich ohne rechtsverbindliche Wirkung.

Auch das Umgehen der eigenhändigen Unterschrift mit anderen Mitteln (wie zum Beispiel durch Einfügen einer vorab gescannten Unterschrift) vermag den gesetzlichen Vorschriften nicht zu genügen. Die herrschende Lehre geht jedoch heute davon aus, dass die eigenhändige Unterzeichnung eines Vertragsexemplars und der anschliessende elektronische Versand eines Scans dem gesetzlichen Formerfordernis der Schriftlichkeit genügen muss. Das Bundesgericht ist diesbezüglich aber weiterhin streng. So stellte es in einem neueren Urteil Folgendes klar: "Nicht-Originale enthalten lediglich bildliche Darstellungen von Schreibleistungen und es existieren keine hinreichend sicheren Methoden nachzuweisen, dass die darin enthaltenen Schriftzüge unverändert und vollständig reproduziert worden sind" (Urteil 9C_634/2014 vom 31. August 2015, E 6.1.2).

Do: Vereinbarung zur Herabsetzung der bestehenden Formvorschriften

Wollen die Parteien ihre Zusammenarbeit in Zukunft primär auf digitalem Weg fortführen, obwohl sie sich bisher ihre Verträge schriftlich ausgefertigt haben, so können dies in einer schriftlichen Erklärung festhalten und in dieser definieren, mit welchen Formvorschriften sie inskünftig (oder auch nur temporär) Verträge schliessen und ändern wollen. Idealerweise wird in einer solchen Vereinbarung auch definiert, was die Parteien inskünftig unter "Schriftlichkeit" verstehen.

Don't: Kündigungsformalitäten (und andere zeitkritische empfangsbedürftige Erklärungen) vernachlässigen

Bei der Kündigung von Verträgen ist das Datum der Zustellung des Kündigungsschreibens an die Gegenpartei meist von entscheidender Bedeutung, zumal diese vielfach innerhalb eines vorher definierten Zeitraums erfolgen muss (z.B. per Ende Monat). Für die postalische Zustellung von traditionellen Kündigungsschreiben mittels Einschreiben hat die Rechtsprechung bereits klare Regeln aufgestellt, wann z.B. ein Einschreiben als zugestellt gilt, auch wenn es vom Empfänger nicht abgeholt wurde. Im elektronischen Geschäftsverkehr existieren solche Regeln noch nicht. Deshalb empfiehlt es sich, Kündigungsschreiben und andere zeitkritische empfangsbedürftige Erklärungen entweder mit genügend Vorlaufzeit zuzustellen und eine Empfangsbestätigung zu verlangen, oder wenn diese ausbleibt bzw. nicht genügend Zeit bleibt, die Erklärung mittels traditionellem Einschreiben der Gegenpartei zuzustellen.

Do: Umstellung auf eine qualifizierte elektronische Signatur

Auch wenn die Lockerung von Formvorschriften die effizientere Vertragsabwicklung ermöglicht, so verzichtet man dabei implizit auch auf einen wesentlichen Vorteil der Schriftlichkeit: Schriftlich unterzeichnete Schuldanerkennungen stellen sogenannte provisorische Rechtsöffnungstitel dar. Diese ermöglichen es dem Gläubiger, direkt ein Betreibungsverfahren anzustrengen (Art. 82 SchKG). Will ein Unternehmen auf dieses Privileg im digitalen Geschäftsverkehr nicht verzichten, so kann dies lediglich mit der Implementierung eines Systems ermöglicht werden, mit welchem qualifizierte elektronische Signaturen mit Zeitstempel generiert werden können (Art. 14 Abs. 2bis OR). Die technische Handhabung solcher Lösungen bleibt jedoch weiterhin umständlich. Immerhin hat der Bundesrat am 1. April 2020 eine temporäre Lockerung für die Erstellung eines Zertifikats beschlossen. Neu kann die Identifikation der Antragsteller auch durch Videoübertragung erfolgen.

Bei Fragen oder für eine vertiefte Beratung stehen Ihnen Ihre normalen Ansprechpartner bei VISCHER und das Informations- und Kommunikationsrechtsteam von VISCHER gerne zur Verfügung.

Autor: Elias Mühlemann

Autor