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Der Bundesrat hat erstmals seit dem Ersten Weltkrieg mit Verordnung vom 18. März 2020 einen landesweiten Rechtsstillstand i.S.v. Art. 62 SchKG verordnet. Der Rechtsstillstand gilt vom 19. März 2020 um 07.00 Uhr bis zum 4. April 2020
um 24.00 Uhr. Direkt im Anschluss beginnen die gesetzlichen Betreibungsferien über Ostern; sie dauern bis zum 19. April 2020. Danach könnte der Bundesrat weitere Rechtsstillstände nach Art. 62 SchKG anordnen.
Der Entscheid des Bundesrates verfolgt gemäss Beteiligten (zitiert bei NZZ, Ausgabe vom 19. März 2020) zwei Zwecke: Einerseits sollen die Betreibungsämter, in denen es in ordentlichen Zeiten oft physischen Kontakt mit Kunden gibt, Zeit finden, um sich zu organisieren. Andererseits soll der Rechtsstillstand den Betrieben mit Liquiditätsengpässen eine gewisse Entlastung bringen.
Während der Schonzeiten, zu denen der Rechtsstillstand und die Betreibungsferien gehören, dürfen keine Betreibungshandlungen vorgenommen werden, ausser in Arrestverfahren oder wenn es sich um unaufschiebbare Massnahmen zur Erhaltung von Vermögensgegenständen handelt.
Als Betreibungshandlungen gelten alle Handlungen der Vollstreckungsbehörden, die auf die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens gerichtet sind, das darauf abzielt, den Gläubiger auf dem Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Vermögen des Schuldners zu befriedigen, und die in die Rechtsstellung des Schuldners eingreifen.
Als Betreibungshandlungen gelten namentlich:
Keine Betreibungshandlungen sind insbesondere:
Betreibungshandlungen in Arrestverfahren sowie unaufschiebbare Massnahmen zur Erhaltung von Vermögensgegenständen sind von den Schonzeiten ausgenommen, insbesondere:
Anders als bei den anderen Rechtsstillständen des SchKG handelt es sich beim Rechtsstillstand nach Art. 62 SchKG um einen allgemeinen Rechtsstillstand, der im Interesse sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger angeordnet wird, weil infolge einer Epidemie die ordnungsgemässe Erfüllung von Verpflichtungen generell nicht mehr möglich ist. Dieser Rechtsstillstand dient damit dem öffentlichen Interesse, weshalb in der Lehre überwiegend davon ausgegangen wird, dass eine während des Rechtsstillstands vorgenommene Betreibungshandlung nichtig ist. Das bedeutet, dass sie keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Um Rechtssicherheit zu schaffen, empfiehlt sich jedoch, die Nichtigkeit auf dem Beschwerdeweg von der Aufsichtsbehörde feststellen zu lassen.
Diese Rechtsfolge (Nichtigkeit) gilt jedoch grundsätzlich nicht für Betreibungshandlungen während der übrigen Schonzeiten. Eine Betreibungshandlung während der übrigen Schonzeiten ist in der Regel weder anfechtbar noch nichtig, sondern entfaltet ihre Wirkungen erst nach Ablauf der Schonzeiten. Die Rechtsfolgen im Einzelnen sind jedoch umstritten und je nach Betreibungshandlung und verletzter Schonzeit im Einzelfall zu prüfen.
Durch Betreibungshandlungen ausgelöste Fristen, die bereits vor dem Rechtsstillstand zu laufen begonnen haben und während des Rechtsstillstands oder der Betreibungsferien ablaufen, gilt Folgendes: Der Rechtsstillstand und die Betreibungsferien hemmen den Fristenlauf nicht. Fällt jedoch für den Schuldner, den Gläubiger oder den Dritten das Ende einer Frist in die Zeit der Betreibungsferien oder des Rechtsstillstands, so wird die Frist bis zum dritten Werktag nach deren Ende verlängert. Bei der Berechnung der Frist von drei Tagen werden Samstage, Sonntage und staatlich anerkannte Feiertage nicht mitgezählt.
Die Verlängerung um drei Tage findet jedoch grundsätzlich keine Anwendung auf Fristen, die erst nach dem Rechtsstillstand und den Betreibungsferien ablaufen. Es wird in der Lehre zwar auch die Ansicht vertreten, dass die Verlängerung auch dann zu gewähren ist, wenn die Frist unmittelbar nach Ende der Schonzeit abläuft. Es ist jedoch nicht zu empfehlen, in diesem Fall auf eine Fristverlängerung zu vertrauen.
Gemäss Medienmitteilung des Bundesrates zu seiner Verordnung über den Rechtsstillstand gesteht der Bundesrat ein, dass der Rechtsstillstand kein geeignetes Instrument ist, um den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, welche die Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus verursachen, langfristig zu begegnen. Der Bundesrat hat den Rechtsstillstand deshalb befristet und wird demnächst entscheiden, mit welchen Massnahmen die auf dem Spiel stehenden Interessen besser geschützt werden können.
Das SchKG sieht für "ausserordentliche Verhältnisse" neben dem Rechtsstillstand auch die Notstundung (Art. 337 ff. SchKG) vor. Die Bestimmungen zur Notstundung können bei ausserordentlichen Verhältnissen, insbesondere im Falle einer andauernden wirtschaftlichen Krise, von der Kantonsregierung mit Zustimmung des Bundes für die von diesen Verhältnissen in Mitleidenschaft gezogenen Schuldner auf eine bestimmte Dauer für anwendbar erklärt werden. Die Bewilligung der Notstundung im Einzelfall erfolgt danach auf Gesuch des Schuldners und obliegt dem Nachlassgericht. Voraussetzungen dafür sind, dass 1) der Schuldner ohne sein Verschulden infolge der ausserordentlichen Verhältnisse ausserstande ist, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, 2) die Aussicht besteht, dass der Schuldner nach Ablauf der Stundung seine Gläubiger voll befriedigen kann und 3) der Schuldner die erforderlichen Nachweise über seine Vermögenslage erbringt und ein Gläubigerverzeichnis einreicht. Die Stundung einschliesslich Verlängerung kann für maximal zehn Monate ausgesprochen werden.
Während der Dauer der Stundung können Betreibungen gegen den Schuldner angehoben und bis zur Pfändung oder Konkursandrohung fortgesetzt werden. Hingegen darf weder die Verwertung vorgenommen noch der Konkurs eröffnet werden. Zudem verlängern sich zahlreiche betreibungsrechtliche Fristen um die Dauer der Stundung.
Nach Ablauf der Notstundung kann der Schuldner während sechs Monaten weder eine Nachlassstundung noch eine weitere Notstundung verlangen. Angesichts der ausgebauten Nachlassstundung (im Vergleich zur Notstundung tiefere Voraussetzungen, eine längere Maximaldauer von 28 Monate und weitergehende Wirkungen) sowie der anderen Alternativen (wie der Konkursaufschub und die private Schuldenbereinigung) wird die Notstundung in der Lehre jedoch oft als überflüssig taxiert.
Mit Verordnung vom 20. März 2020 hat der Bundesrat zudem bereits angeordnet, dass die in Zivil- und Verwaltungsverfahren über Ostern geltenden Gerichtsferien bereits früher beginnen. Sie dauern neu vom 21. März 2020 bis zum 19. April 2020. Während dieser Zeit stehen die gesetzlichen und gerichtlichen bzw. behördlichen Fristen still. Ausgenommen sind Verfahren, in denen keine Gerichtsferien vorgesehen sind, namentlich in Schlichtungs- und Summarverfahren. Für weitere Fragen zum Rechtsstillstand bzw. zu den Schonzeiten steht Ihnen unser Prozessführungsteam und Insolvenzteam gerne zur Verfügung.
Autorin: Julia Crifasi-Käser
Rechtsanwältin
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