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18. Dezember 2019

Brexit: Was Markeninhaber wissen müssen

Die Brexit-Saga geht weiter: Nach mehreren Verschiebungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) steht als neue Frist der 31. Januar 2020 fest. Bis dahin haben die Parteien Zeit, sich über die Austrittsmodalitäten und ihre künftige Zusammenarbeit vertraglich zu einigen - und diese Einigung politisch absegnen zu lassen. Ohne Übereinkunft droht der "No-Deal-Brexit": Mangels Zugehörigkeit zur EU nach dem Austrittsdatum und ohne neue vertragliche Lösung ("withdrawal agreement") werden zahlreiche EU-Regelungen im Vereinigten Königreich nicht mehr gelten. Wir zeigen die Auswirkungen des Brexit auf Markenrechte und wie sich Markeninhaber vorbereiten sollen.

Good News: Was sich für Markeninhaber nicht ändert

Wir starten mit den guten Nachrichten für Markeninhaber:

Eingetragene nationale Markenregistrierungen im Vereinigten Königreich bleiben sogar im Falle des "No-Deal-Brexit" unberührt. Sie unterstehen wie bis anhin dem nationalen Markenrecht des Vereinigten Königreichs und folgen den entsprechenden Fristen, Gebührenregelungen etc.

Ebenfalls nicht betroffen vom "No-Deal-Brexit" sind internationale Markenregistrierungen (kurz IR) über das Madrider Markensystem, die Schutzwirkung im Vereinigten Königreich beanspruchen. Das Madrider Markensystem wird von der World Intellectual Property Organization (WIPO) verwaltet. Die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am Madrider System ist nicht von der Mitgliedschaft in der EU abhängig. Wichtig ist, dass der Schutz im Vereinigten Königreich nur dann vom Brexit unbeeinflusst bleibt, sofern die Schutzausdehnung auf das Vereinigte Königreich und nicht auf die EU insgesamt (sogenannte Unionsmarke, kurz EUTM) lautet.

Neben den eingetragenen Marken bleiben auch hängige nationale Gesuche im Vereinigten Königreich sowie hängige Schutzausdehnungen über das Madrider System für das Vereinigte Königreich bestehen.

Bei Parallelimporten von Markenartikeln aus dem EU- oder Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wird das Vereinigte Königreich vorläufig weiterhin die regionale Erschöpfung anerkennen. Für Parallelimporte von Markenartikeln aus dem Vereinigten Königreich in die Schweiz, gilt unverändert die internationale Erschöpfung – unabhängig vom Brexit.

Bad News: Was sich für Markeninhaber ändern könnte

Nicht alle Markenrechte gelten ohne weiteres auch nach dem Brexit: Durch die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreiches in der EU, konnte bisher mit einer einzigen Markenanmeldung als Unionsmarke (EUTM) Markenschutz für alle Mitgliedstaaten der EU, inklusive dem Vereinigten Königreich, erreicht werden. Einigen sich das Vereinigte Königreich und die EU nicht über eine Weitergeltung von Unionsmarken im Vereinigten Königreich, fällt dieser Schutz nach dem Brexit für das Vereinigte Königreich (theoretisch) weg. Wie das Vereinigte Königreich dieses Szenario verhindern möchte, beschreiben wir weiter unten.

Neben den Markenregistrierungen hat der Brexit auch Auswirkungen auf die Zuständigkeit in Markenstreitigkeiten: Bisher konnten auch Inhaber von nationalen, britischen Marken Unionsmarken vor dem Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) im Widerspruchsverfahren angreifen. Nach dem Brexit fehlt die Grundlage für solche Verfahren vor dem EUIPO basierend (ausschliesslich) auf nationalen Markenrechten im Vereinigten Königreich: Laufende Verfahren müssen vom EUIPO konsequenterweise abgeschrieben bzw. abgewiesen werden ("dismissed for lack of valid basis"). Da das Vereinigte Königreich nach dem Austritt nicht mehr unter die Zuständigkeit der EU-Rechtsordnung fällt, gelten in der EU nach dem Brexit-Datum erlassene Anordnungen im Vereinigten Königreich nicht mehr.

Bei Parallelimporten aus dem Vereinigten Königreich in die EU bzw. den EWR gibt es neu Einschränkungen: Markenartikel, die nach dem Brexit vom Rechteinhaber oder mit dessen Zustimmung auf den britischen Markt gebracht werden, gelten in der EU bzw. dem EWR nicht mehr als erschöpft (unter der Annahme, dass das Vereinigte Königreich nicht EWR-Mitglied wird). Im umgekehrten Fall des Imports aus der EU bzw. dem EWR wird das Vereinigte Königreich im eigenen Recht definieren müssen, ob es künftig der nationalen, regionalen oder internationalen Erschöpfung folgen möchte.

Weiter bleiben Gebrauchsnachweise aus dem Vereinigten Königreich für den Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung einer Unionsmarke nur für die Zeit vor Brexit relevant. Nach dem Austritt aus der EU können Belege zum Markengebrauch im Vereinigten Königreich eine Unionsmarke nicht mehr gegen Angriffe wegen angeblichem Nichtgebrauch verteidigen.

Happy End: Wie Markeninhaber ihre Marken sichern

Das Vereinigte Königreich hat im nationalen Recht Vorkehrungen getroffen, um Markeninhaber vor Rechtsverlust zu schützen (auch im Falle eines "No-Deal-Brexit"):

Registrierte Unionsmarken wandelt das Vereinigte Königreich nach dem Brexit (mit oder ohne vertragliche Regelung mit der EU) automatisch und ohne Zusatzgebühren um in "vergleichbare nationale Markenregistrierungen" (sogenannte "comparable trade marks"). Die Modalitäten dazu sind noch nicht geklärt, es sollen aber vom Markeninhaber nur "minimale administrative Aufwendungen" verlangt werden ("minimal administrative burden"). Die neue nationale Marke folgt dem nationalen Markenrecht des Vereinigten Königreichs und den entsprechenden Fristen, Gebührenregelungen etc. Diese Umwandlungsregel gilt unabhängig davon, ob die Unionsmarke direkt beim EUIPO oder über eine internationale Registrierung vorgenommen wurde.

Die Umwandlung soll nicht Pflicht sein: Es kann im Einzelfall Gründe geben, warum der Inhaber einer EUTM keine nationale Marke im Vereinigten Königreich möchte. Markeninhaber sollen entsprechend auf eine Umwandlung verzichten können ("opting-out"). Diese Opting-Out-Möglichkeit soll allerdings nur solange bestehen, als der Markeninhaber nicht von seiner "comparable trade mark" im Vereinigten Königreich Gebrauch gemacht hat: Verträge wie Lizenzierungen oder Übertragungen sowie vom Markeninhaber anhängig gemachte Rechtsverfahren zur "comparable trade mark", schliessen konsequenterweise ein späteres Opting-Out aus. Wir empfehlen Inhabern registrierter Unionsmarken bereits vor dem Brexit die eigene Markensituation im Vereinigten Königreich zu prüfen (z.B. hinsichtlich möglicher Kollisionen) und über die Umwandlung oder ein Opting-out zu entscheiden.

Jedes Lizenz- oder Sicherungsrecht, das sich auf eine Unionsmarke bezieht und im Vereinigten Königreich vor dem Brexit anwendbar wäre, gelangt auch für die neue "comparable trade mark" zur Anwendung. Trotzdem lohnt sich die Prüfung des Wortlauts der entsprechenden Verträge daraufhin, ob der übereinstimmende Parteiwille eine Geltung für das Vereinigte Königreich mitabdeckt – auch nach Austritt aus der EU.

Aktiv werden muss der Anmelder (auch) bei Anmeldungen von Unionsmarken, die zum Zeitpunkt des Brexits hängig sind. Das Vereinigte Königreich erlaubt die Umwandlung in eine nationale Markenanmeldung. Den entsprechenden Antrag muss der Anmelder jedoch selbständig innerhalb von neun Monaten nach Brexit – unaufgefordert – im Vereinigten Königreich einreichen. Bei einer Umwandlung erfolgt eine neue Prüfung nach dem nationalen Markenrecht des Vereinigten Königreichs und es werden die nationalen Anmeldegebühren fällig. Eine spätere Eintragung im Vereinigten Königreich folgt dann dem nationalen Recht. Mit dem Umwandlungsantrag sichert der Anmelder die ursprünglichen Anmelde- und Prioritätsdaten im Vereinigten Königreich. Ohne Antrag verliert der Anmelder seine Anmeldung zumindest für das Vereinigte Königreich. Wir empfehlen Anmeldern hängiger EUTM-Anmeldungen die Umwandlung zu beantragen, ausser der Schutz im Vereinigten Königreich ist im Einzelfall nicht gewünscht.

Bei neuen Anmeldungen von Unionsmarken vor Brexit, empfehlen wir die parallele Anmeldung im Vereinigten Königreich als Sicherheitsvorkehrung, da ungewiss ist, ob heutige EUTM-Anmeldungen vor dem Brexit-Datum eingetragen werden.

Für hängige Streitigkeiten über Unionsmarken, die am Brexit-Datum vor britischen Gerichten oder Behörden hängig sind, sieht das Vereinigte Königreich deren Weiterbehandlung vor, als wäre das Vereinigte Königreich noch ein EU-Mitgliedstaat. Die daraus erfolgenden oder bereits rechtskräftigen Anordnungen gelten jedoch nur für die "comparable trade marks" im Vereinigten Königreich – nicht für die Unionsmarke nach dem Brexit.

Für Gebrauchsbelege zugunsten von "comparable trade marks" wird das Vereinigte Königreich auch die Verwendung der Marke in der EU vor dem Brexit-Datum (nicht aber danach) als Nutzung der späteren "comparable trade mark" anerkennen.

Wir beraten Inhaber von Schweizer und internationalen Marken umfassend zur rechtlichen Markenstrategie und Massnahmen zur Sicherung der Markenrechte. Unser Immaterialgüterrechtsteam unterstützt Sie beim Markenschutz in der Schweiz und im Ausland.

Autorin: Delia Fehr-Bosshard

Kategorien: Immaterialgüterrecht, Blog