
Die diesjährige Bonus-Saison neigt sich dem Ende zu. Gerade in einem Corona-Jahr freuen sich Arbeitnehmer über einen willkommenen Zuschuss oder ärgern sich, wenn der Bonus unter den Erwartungen blieb. Arbeitgeber hingegen fragen sich möglicherweise, ob sie in diesen Zeiten auf die Ausrichtung eines in der Vergangenheit regelmässig gewährten Bonus verzichten oder einen solchen wenigstens reduzieren können.
In einem Entscheid vom 3. März 2021 stellte das Bundesgericht klar, dass ein vertraglich als freiwillig vereinbarter Bonus auch durch mehrjährige, vorbehaltlose Ausrichtung allein nicht zum einklagbaren Anspruch wird.
Rechtliche Einordnung von Bonuszahlungen
Ein Bonus ist eine variable Vergütung, die oft zusätzlich zum festen Grundlohn gewährt wird, im Gesetz aber nicht definiert ist. Boni können aus rechtlicher Sicht in drei Kategorien eingeteilt werden:
- Variables Gehalt (Anspruch auf Ausrichtung und Höhe des Bonus);
- Unechte Gratifikation (Anspruch auf Ausrichtung des Bonus bei Ermessen der Arbeitgeberin bezüglich Höhe); und
- Echte Gratifikation (kein Anspruch).
Massgebend zur rechtlichen Qualifikation eines Bonus sind nicht (allenfalls unzutreffende) Bezeichnungen im Vertrag oder (Bonus-) Reglement, sondern die effektiven Parteivereinbarungen und die gelebte Praxis. Dabei sind die Abgrenzungskriterien Ermessen, Regelmässigkeit und Akzessorietät entscheidend.
Vorliegend soll speziell der die Kriterien Ermessen und Regelmässigkeit betreffende Aspekt der Freiwilligkeitsvorbehalte erläutert werden, weshalb auf die sonstigen Kriterien zur Qualifikation eines Bonus nicht näher eingegangen wird.
Regelmässige Bonuszahlung ohne Freiwilligkeitsvorbehalt kann einen Anspruch begründen
Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts entsteht zumindest im Grundsatz ein Anspruch auf Ausrichtung eines Bonus, der zuvor regelmässig und ohne Vorbehalt seiner Freiwilligkeit während mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren ausgerichtet wurde. In solchen Fällen geht die Praxis von einer stillschweigenden Vereinbarung zwischen den Parteien aus, wonach der Arbeitnehmer einen Bonus erhalten soll.
Diese stillschweigende Vereinbarung betrifft angesichts der meist schwankenden Bonushöhe regelmässig nur den Grundsatz, dass eine Gratifikation auszurichten ist, während die Arbeitgeberin die Höhe noch immer in ihrem (willkürfreien) Ermessen festlegen kann (unechte Gratifikation).
Einige Gerichte betrachteten in ihren Entscheiden sogar solche Fälle als von der genannten bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfasst, in denen eigentlich der ursprüngliche Arbeitsvertrag oder das Bonusreglement klipp und klar festhält, dass der Bonus im Ermessen der Arbeitgeberin bzw. freiwillig ausgerichtet wird. Diese Auffassung wird von Teilen der Lehre zurecht kritisiert.
Gemäss Bundesgericht genügt ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt
Im Entscheid 4A_280/2020 des Bundesgerichts vom 3. März 2021 (Französisch) ging es um einen Fall, in dem ein Arbeitnehmer gekündigt hatte und in der Folge einen Bonus von der Arbeitgeberin verlangte.
Gemäss Arbeitsvertrag war ein Zielbonus von 10% des Grundgehalts vereinbart worden, der auf den Leistungen und der Erreichung von Zielen des Arbeitnehmers, sowie vom Geschäftsverlauf der Gruppe bzw. der Erreichung entsprechender Ziele basieren sollte. Es wurde auf den entsprechenden Bonusplan der Arbeitgeberin verwiesen.
Der Bonusplan wiederum verwies verschiedentlich auf das alleinige Ermessen der Arbeitgeberin betreffend Finanzierung des Plans, Teilnahme des Arbeitnehmers, Ausrichtung und Höhe des Bonus. Er wies zudem explizit darauf hin, dass Bonuszahlungen keine Garantie oder Indikation zukünftiger Bonuszahlungen darstellen.
Das Bundesgericht qualifizierte diesen Bonus zurecht als (echte) Gratifikation, auf die kein Anspruch besteht. Es hielt explizit fest, dass die vorgenannte Regel der Entstehung eines Bonusanspruchs bei vorbehaltloser Ausrichtung während mindestens drei Jahren keine Anwendung finde auf Fälle, in denen die Parteien sowohl bezüglich Grundsatz als auch Höhe des Bonus bereits vertraglich das Ermessen der Arbeitgeberin vorbehalten hatten (E. 5.3).
Dabei stimmte das Bundesgericht der kantonalen Vorinstanz zu, die ausgeführt hatte, dass der Arbeitnehmer angesichts seiner Kenntnis des Arbeitsvertrags und des Bonusplans mit Freiwilligkeitsvorbehalten nach Treu und Glauben nicht habe annehmen können, dass der Bonus durch die jahrelange Ausrichtung, ohne jeweils die Freiwilligkeit nochmals vorzubehalten, zwingend geworden sei (E. 5.1).
Jahrzehntelange Freiwilligkeitsvorbehalte können zur leeren Floskel werden
Selbst für den Fall, dass bei der Bonusausrichtung jeweils Freiwilligkeitsvorbehalte angebracht werden, kann gemäss Bundesgerichtspraxis die stete, jahrzehntelange Wiederholung des Freiwilligkeitsvorbehalts anlässlich der Bonusausrichtung dazu führen, dass der Vorbehalt aus Sicht des Arbeitnehmers zur leeren Floskel wird, wenn der Arbeitgeber durch sein ganzes Verhalten zeigt, dass er sich zur Auszahlung eines Bonus verpflichtet fühlt. Bedingung für diese Annahme ist, dass der Arbeitgeber in dieser Zeit Grund gehabt hätte, den Bonus nicht auszurichten (z.B. bei schlechtem Geschäftsgang oder bei ungenügender Arbeitsleistung), und dies dennoch getan hat.
Fazit
Soll ein Bonus freiwillig sein bzw. im freien Ermessen der Arbeitgeberin liegen, empfiehlt sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf sowohl in den vertraglichen Grundlagen als auch bei jeder Ausrichtung. Auch abgesehen von fehlenden Freiwilligkeitsvorbehalten gibt es jedoch viele andere Umstände, aus denen ein Bonusanspruch entstehen kann, obwohl dies der Arbeitgeberin vielleicht gar nicht bewusst ist. Aus Arbeitgebersicht empfiehlt es sich daher, die rechtlichen Auswirkungen ihrer Bonuspraxis vorab abklären zu lassen, um später ein böses Erwachen vor Gericht zu vermeiden.
Bei Fragen zum Thema steht Ihnen unser Arbeitsrechtsteam jederzeit gerne zur Verfügung.
Autoren: Marc Ph. Prinz, Gian Geel