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29. November 2016 Blockchain: Von der virtuellen Währung zur technischen Revolution?

Digital Business Law Bites # 3

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.

Blockchain ist die Technologie der Stunde – Grundlage unzähliger Start-ups – und zugleich Bedrohung und Heilsbringer für traditionelle Finanzinstitute. Die hinter der digitalen Währung Bitcoin stehende Technologie löst sich langsam aus dem Schatten der krisengeplagten Kryptowährung. Von einem blossen Hype kann nicht mehr gesprochen werden. Die Anwendungsmöglichkeiten von Blockchain scheinen unbegrenzt zu sein. Ebenso vielfältig sind die mit den entsprechenden Anwendungen verbundenen rechtlichen Fragen.

Eines der vielversprechenden Anwendungsgebiete der Blockchain-Technologie ist der sogenannte Smart Contract, der im Folgenden näher behandelt werden soll.

Was ist Blockchain?

Die Blockchain-Technologie lässt sich als ein digitales, dezentralisiertes Register beschreiben, bei dem alle Teilnehmer über eine Kopie aller bisher in einem Blockchain-Netzwerk durchgeführten Transaktionen verfügen. Die wachsende Anzahl von Datensätzen bzw. Datenblöcken wird verschlüsselt, wie eine Kette fortgeführt, auf verschiedenen Rechnern abgelegt und verwaltet. Angaben, die sich nicht in einer Mehrheit der geteilten bzw. dezentralisierten Register widerspiegeln, werden eliminiert. Aufgrund dieser kollektiven Verifizierung der Daten gilt das Blockchain-System als unveränderbar und kaum fälschbar. Auch ermöglicht die dezentrale Registerführung, zentrale Stellen, wie z.?B. Banken oder Clearingstellen, auszuschalten. Durch die Technologie könnten Transaktionen vergünstigt und rascher abgewickelt werden.

Wo kann Blockchain eingesetzt werden?

Die wohl bekanntesten Anwendungen der Blockchain-Technologie sind Kryptowährungen, d.?h. virtuelle Währungen, basierend auf den Prinzipien der Kryptografie. Hier steht insbesondere der Bitcoin im Scheinwerferlicht, in jüngster Vergangenheit jedoch zunehmend mit negativen Schlagzeilen.

Was momentan (noch) nicht im Vordergrund steht, sind andere Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie. Diese sind praktisch unbegrenzt und führen zur digitalen Goldgräberstimmung. Blockchain könnte in all denjenigen Bereichen verwendet werden, die heute auf zentralen Registern beruhen. Zu denken ist dabei z.B. an Register für Immaterialgüterrechte, das Grundbuch, Waffenregister, Register für Kunstwerke etc. Darüber hinaus ist die Technologie auch in anderen Bereichen anwendbar, die heute weitgehend auf Vertrauen basieren. Dies gilt vor allem im Bereich von Verträgen, wo sogenannte Smart Contracts eingesetzt werden können.

Was sind Smart Contracts?

Smart Contracts sind sich selbst ausführende oder selbst vollziehende Verträge, die in einer Blockchain gespeichert und repliziert werden können. Die Vertragsbestimmungen werden dabei in einem Code abgebildet. Die vordefinierten Vertragsregeln werden dann von einem Computer strikt automatisch ausgeführt. Je nach Programmierung können damit Vertragsteile oder der gesamte Vertrag automatisiert werden. Ein einfaches Beispiel: Sobald die vereinbarte Zahlung eingetroffen ist, wird automatisch der Versand eines Produktes ausgelöst.

Was sind die Vorteile von Smart Contracts?

Sämtliche Nutzer eines Blockchain-Netzwerkes verfügen über eine Kopie des Vertragscodes und sorgen hierdurch dafür, dass der Vertrag nicht einseitig abgeändert werden kann. Ausserdem vollziehen sich – im Idealfall – die vereinbarten Leistungen bei Vorliegen der vordefinierten und vereinbarten Voraussetzungen automatisch. Die Leistungen können, wenn die vordefinierten Voraussetzungen erfüllt sind, nicht mehr grundlos oder böswillig verweigert werden. Dadurch ermöglichen Smart Contracts auch Geschäfte zwischen Parteien, die sich nicht vertrauen. Damit würde sich die Anzahl potenzieller Geschäftskunden für ein Unternehmen schlagartig vervielfachen. Darüber hinaus bestehen grundsätzlich keine Schwierigkeiten bei der Auslegung einer Vertragsklausel. Der Code vollzieht diese nämlich automatisch und strikt nach den vorgegebenen Regeln, ohne Interpretationsspielraum. Die Rechtsunsicherheit, die dem Abschluss von Verträgen entgegensteht, wäre somit eliminiert. Dies zumindest in der Theorie.

Welche rechtlichen Fragen stellen sich bei Smart Contracts?

Gerade der strikte Vollzug bzw. die strikte Ausführung von Smart Contracts ist rechtlich nicht unproblematisch. Der Code kann und darf nachträglich nicht mehr angepasst werden. Ermessen – ein wichtiger Bestandteil vieler Vertragsklauseln und ein Instrument, um dem Einzelfall gerecht zu werden – kann in einen Smart Contract nicht integriert werden. Die Unabänderbarkeit des definierten Codes sowie dessen starrer Vollzug können somit zu Ergebnissen führen, die keine der Parteien so gewollt hat bzw. die im Einzelfall nicht angemessen sind. Dies führt zu unzähligen Fragen an der Schnittstelle zwischen Recht und Technik. Wie soll z.?B. die Möglichkeit, dass eine der Parteien bei Vertragsschluss einem Irrtum unterlegen ist, abgebildet werden? Was passiert, wenn die gelieferte Ware mangelhaft ist?

Weiter stellen sich auch neue haftungsrechtliche Fragen. Wer ist beispielsweise haftbar für einen fehlerhaften Code? Auch bewegt sich ein Smart Contract nicht in einem rechtsfreien Raum. Er untersteht wie herkömmliche Vereinbarungen einem nationalen Recht. Welches Recht soll nun aber auf einen Vertrag anwendbar sein, der dezentral und mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Servern in einer Vielzahl von Jurisdiktionen abgespeichert ist? Kann allenfalls eine Rechtswahlklausel in den Vertrag eingebaut werden? Was passiert, wenn der Code zwingendes Recht nicht einhält und wer trägt dafür die Verantwortung?

Was bringt die Zukunft?

Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, die bestehenden Märkte und althergebrachten Geschäftsmodelle fundamental zu verändern. Die Zukunft wird zeigen, wie weitreichend die Veränderung tatsächlich sein wird. Fraglich ist dabei insbesondere, ob sich durch die Blockchain-Technologie Abläufe vollständig automatisieren lassen. Wir werden die Entwicklung in jedem Fall verfolgen und Klienten bei der Umsetzung begleiten.

Autoren: Manuel Blättler, Dominic A. Wyss