VISCHER ist eine Schweizer Anwaltskanzlei, die sich der rechtlichen Lösung von Geschäfts-, Steuer- und Regulierungsfragen widmet.
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Kategorie: Steuern
Das Bundesgericht entscheidet, dass die Entschädigung bei einer missbräuchlichen Kündigung als Genugtuung angesehen wird und somit steuerfrei ist.
Nach 16-Jahren Dienstzeit wurde der Person A am 27. Januar 2016 auf den 30. April 2016 gekündigt. Da sie ab diesem Datum aufgrund depressiver Störungen in psychiatrischer Behandlung war, wurde das Ende des Arbeitsvertrags auf den 31. März 2017 verschoben. Am 20. Juni 2017 reichte die Mitarbeitende eine Klage gegen den ehemaligen Arbeitgeber ein, da sie der Ansicht war, dass die Gründe für ihre Entlassung missbräuchlich waren und beantragte eine Entschädigungszahlung von CHF 30 000 zuzüglich Zinsen. Bei der Schlichtungsverhandlung einigten sich der Arbeitgeber und die Arbeitnehmerin auf eine Zahlung von CHF 25 000, was etwas weniger als fünf Monatslöhnen entsprach. Der Betrag wurde korrekt auf dem Lohnausweis der Angestellten unter der Ziffer 3 "Unregelmässige Leistungen" als "Nicht unterstelltes Abgangsgeld" deklariert.
Die Mitarbeitende hat in der Steuererklärung 2017 den Betrag als "nicht steuerbar" deklariert. Die Steuerverwaltung des Kantons Waadt folgte dieser Beurteilung nicht und hat den Betrag als steuerbares Erwerbseinkommen aufgerechnet.
Die kantonalen Rechtsprechungen unterscheiden sich und auch die Lehre ist geteilter Meinung zu diesem Thema. Jedoch ist eine Mehrheit der Autoren der Ansicht, dass Entschädigungen, die vom ehemaligen Arbeitgeber nach einer missbräuchlichen Kündigung gezahlt werden, aus steuerlicher Sicht vollständig als Zahlungen zur Wiedergutmachung des immateriellen Schadens zu behandeln und damit steuerfrei sind.
Die bisherige Rechtsprechung hat klargestellt, dass solche Zahlungen einen doppelten Zweck haben; einerseits die Wiedergutmachung gegenüber dem Arbeitnehmer und andererseits die Bestrafung des Arbeitgebers. Bei der Frage, wie viel vom einen und wie viel vom anderen eine Zahlung enthält, sei der überwiegenden Lehre zu folgen, welche annimmt, dass die Entschädigung in erster Linie als Genugtuung dient, da der Schaden ausgeglichen werden soll, welcher dem Arbeitnehmer aufgrund der missbräuchlichen Kündigung zugeführt worden ist. Der zweite Zweck, das Verhalten des Arbeitgebers zu bestrafen, sei nicht geeignet, den ersten Zweck zu überdecken. Somit solle solch eine Entschädigung vollständig als Genugtuungszahlung im Sinne von Art. 24 Bst. g DBG angesehen werden. In der Praxis ist es faktisch kaum möglich, die Entschädigung für diese zwei Zwecke aufzuteilen.
Das Bundesgereicht hat sich noch nie zu der Frage geäussert, ob Abfindungen, die als Entschädigung für eine missbräuchliche Kündigung im Sinne von Art. 336a OR gezahlt werden, in die Kategorie der Genugtuungszahlungen fallen und somit von der Steuer befreit sind. Bei den Sozialversicherungen hat das Gericht klargestellt, dass Entschädigungen, welche auf Art. 336a OR beruhen, beim massgebenden Lohn nicht beachtet werden müssen (BGE 123 V 5 vom 17. April 1997).
Betreffend Steuern kommt es in seinem Entscheid zum Schluss, dass solche Zahlungen auch bei den Steuern als steuerfrei anzusehen sind (BGer 2C_546/2021 vom 31. Oktober 2022), womit die Beschwerde der Steuerverwaltung abgewiesen wurde.
Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das VISCHER Steuer- und Sozialversicherungsteam gerne zur Verfügung.
Autor: Philipp Flückiger