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13. Juni 2023 Begrüssenswerte Klarstellungen des EHRA zu Kapitalveränderungen nach neuem Aktienrecht

Mit seiner neusten Praxismitteilung 2/23 vom 6. Juni 2023 hat das Eidgenössische Amt für das Handelsregister (EHRA) weitere praktisch relevante Fragen in Zusammenhang mit Kapitalveränderungen nach dem revidierten Aktienrecht geklärt.

1. Ausgangslage

Die revidierten Bestimmungen des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) zum Aktienrecht und die aktualisierten Ausführungsbestimmungen der Handelsregisterverordnung (HRegV), die auf den 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind, betreffen insbesondere die verschiedenen Arten der Kapitalveränderung (zum Kapitalband siehe Blogbeitrag "Neues Aktienrecht: Das Kapitalband (Nr. 3)"). Ein erklärtes Ziel der Revision war die Modernisierung dieser Verfahren, um den Schweizer Aktiengesellschaften eine bedarfsgerechtere Finanzierung zu erlauben. Um die praktische Umsetzung dieser Flexibilisierungen zu erleichtern, hatte das EHRA bereits mit seiner Praxismitteilung 3/22 vom 19. Dezember 2022 übergangsrechtliche Themen bei Kapitalerhöhungen adressiert und zwischenzeitlich mit der Praxismitteilung 1/23 vom 21. März 2023 und der neusten Praxismitteilung 2/23 vom 6. Juni 2023 weitere Präzisierungen vorgenommen.

2. Kapitalband

Als Nachfolger des genehmigten Kapitals wurde das Kapitalband eingeführt. Neu an diesem Instrument sind nicht nur die längere Ermächtigungsdauer des Verwaltungsrats von bis zu fünf Jahren und die Möglichkeit der Generalversammlung, den Verwaltungsrat zur Vornahme von Kapitalherabsetzungen zu ermächtigen, sondern auch seine Systematik. Während früher ein fixer Nennbetrag in die Statuten einzutragen war, in dessen Umfang der Verwaltungsrat genehmigte Kapitalerhöhungen vornehmen durfte, sind nach dem idealtypischen Kapitalband neu eine Ober- und eine Untergrenze zu fixieren, innerhalb derer der Verwaltungsrat während der Ermächtigungsdauer grundsätzlich frei Kapitalveränderungen nach oben und nach unten vornehmen kann.

Aufgrund des neuen gesetzlichen Konzepts der betragsmässigen Grenzen hatten sich einige Fragen zum notwendigen und sinnvollen Inhalt der statutarischen Bestimmung über ein Kapitalband, der sog. Ermächtigungsklausel, ergeben. Das EHRA hat zu den entsprechenden Vorgaben, die gemäss Art. 653t Abs. 1 OR in den Statuten zu regeln sind, folgendes festgehalten:

  • Kapitalbandgrenzen: Im Grundsatz sind die Ober- und Untergrenze des Kapitalbands getreu dem Gesetzeswortlaut zwingend in die Ermächtigungsklausel aufzunehmen. Allerdings kann im Fall einer Ermächtigung nur zur Kapitalerhöhung (entsprechend dem altrechtlichen genehmigten Kapital) auf die Nennung der Untergrenze verzichtet werden, da es hier keine eigentliche fixe Untergrenze gibt, sondern die Untergrenze dem jeweils aktuellen Aktienkapital entspricht. Nicht explizit adressiert hat das EHRA die Frage, ob im umgekehrten Fall einer Ermächtigung nur zur Kapitalherabsetzung auf die Fixierung einer Obergrenze verzichtet werden kann. Werden sowohl Unter- und Obergrenze angegeben, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die Generalversammlung den Verwaltungsrat sowohl zur Erhöhung als auch zur Herabsetzung des Kapitals ermächtigen will, jedenfalls so weit nicht eine explizite Einschränkung der Befugnisse des Verwaltungsrats in der Ermächtigungsklausel vorgesehen ist (Art. 653s Abs. 3 OR).
  • Anzahl und Nennwert: Sofern die Generalversammlung die umfassende Kompetenz erteilen will, das Kapital innerhalb einer bestimmten Bandbreite beliebig zu erhöhen oder herabzusetzen, ist die Angabe von Anzahl und Nennwert der auszugebenden Aktien typischerweise nicht sinnvoll und kann zu unklaren Formulierungen sowie Folgefragen im Zusammenhang mit der Anpassung der Ermächtigungsklausel führen. Anzahl und Nennwert der auszugebenden Aktien sollten gemäss dem EHRA folglich nur dann in die Ermächtigungsklausel aufgenommen werden, wenn der Verwaltungsrat (in Anlehnung an die altrechtliche genehmigte Kapitalerhöhung) nur eine bestimmte Anzahl Aktien ausgeben darf. Andernfalls kann trotz des Wortlauts von Art. 653t Abs. 1 Ziff. 4 OR auf diese Angaben verzichtet werden.
  • Umfasste Beteiligungsrechte: Es ist möglich, die Ermächtigungsklausel so zu formulieren, dass der Verwaltungsrat unterschiedliche Beteiligungsrechte (z.B. Aktien mit verschiedenen Vorzugsrechten oder Partizipationsscheine) alternativ voneinander ausgeben kann, sofern die Eigenschaften dieser Beteiligungsrechte präzise in der Ermächtigungsklausel fixiert sind und die Grenzen des Kapitalbands im Rahmen der Ausgabe der Beteiligungsrechte oder von Nennwertveränderungen stets eingehalten bleiben.

Das EHRA bezog auch Stellung zur Anpassung der Ermächtigungsklausel. Grundsätzlich kann diese nur durch die Generalversammlung geändert werden. Dies gilt insbesondere für die Unter- und Obergrenze, vorbehältlich des gesetzlich vorgesehenen Spezialfalls, wenn der Verwaltungsrat zur Nachführung der Kapitalbandgrenzen im Nachgang einer Kapitalerhöhung aus bedingtem Kapital ausserhalb des Kapitalbands berufen ist (Art. 653g Abs. 2 OR). Nach einer durchgeführten Kapitalveränderung innerhalb des Kapitalbands hat der Verwaltungsrat grundsätzlich nur die Statutenbestimmung über das Gesellschaftskapital anzupassen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Ermächtigungsklausel (ohne entsprechende Beschränkungsabsicht der Generalversammlung) Angaben zu Anzahl und Nennwert der auszugebenden Aktien enthält. In diesem Fall können gemäss dem EHRA die entsprechenden Angaben in der Ermächtigungsklausel aus Transparenzgründen und in Anlehnung an die Praxis zum genehmigten Kapital durch den Verwaltungsrat aktualisiert oder gänzlich gestrichen werden.

Auch für das Verfahren der Kapitalveränderungen selbst hat das EHRA einige wichtige Details klargestellt, die auch für Kapitalveränderungen innerhalb des Kapitalbands zur Anwendung gelangen. Bereits in der Praxismitteilung 3/22 wurde präzisiert, dass nicht in der Handelsregisterverordnung genannte Belege für eine Kapitalveränderung nicht beim Handelsregister eingereicht werden müssen, auch wenn diese Beilagen der öffentlichen Urkunde sind. Nicht eingereicht werden müssen somit u.a. bei Kapitalerhöhungen die Zeichnungsscheine und bei Kapitalherabsetzungen der Jahres- bzw. Zwischenabschluss, auf dem die einzuholende Prüfungsbestätigung basiert. Weiter wurde in der Praxismitteilung 2/23 bestätigt, dass eine Kapitalerhöhung mit Maximalbetrag auch im Rahmen einer Verrechnungsliberierung und (theoretisch) einer Liberierung durch Sacheinlage möglich wäre.

Die Präzisierungen des EHRA zum Kapitalband sind zu begrüssen, da sie von einem zweckorientierten Verständnis ausgehen und die Funktionalität und Rechtssicherheit in Zusammenhang mit dem neuen Institut verbessern. Anschaulich zeigt sich dies an den Ausführungen zu Inhalt und Anpassungen der Ermächtigungsklausel. Wo aus Transparenz- und Klarheitsgründen formelle Nachführungen der Ermächtigungsklausel nach einer Kapitalveränderung innerhalb des Kapitalbands erforderlich sind, können diese vom Verwaltungsrat vorgenommen werden. Die Idee des Kapitalbands sollte aber sein, dass die Generalversammlung eine Ermächtigungsklausel in die Statuten integriert, die dem Verwaltungsrat die gewünschten Kapitalveränderungskompetenzen vermittelt, ohne dass nach jeder Kapitalveränderung im Kapitalband Anpassungen an der Kapitalbandklausel notwendig sind.

Weiterführend zu diesem funktionalen Ansatz: Sandro Bernet, Das Kapitalband als Instrument der Unternehmensfinanzierung, Zürich 2023, N 108 ff. (in Anhang 1 der genannten Publikation ist eine Musterklausel über ein Kapitalband enthalten, welche diesem nunmehr vom EHRA bestätigen Verständnis entspricht).

3. Bedingtes Kapital

Das Instrument des bedingten Kapitals wurde anlässlich der Aktienrechtsrevision nicht grundlegend angepasst, sondern bloss punktuell überarbeitet. Entsprechend betont auch das EHRA, dass eine Anpassung eines bestehenden (altrechtlichen) bedingten Kapitals als Überführung in ein bedingtes Kapital nach neuem Recht angesehen werden kann, soweit die Voraussetzungen nach Art. 653 ff. OR erfüllt sind. Eine formelle Löschung und Neueintragung des bedingten Kapitals nach neuem Recht ist in diesen Fällen nicht erforderlich.

Zu einigen Unsicherheiten führte Anfang Jahr der neue Art. 653i Abs. 2 OR, dessen Wortlaut den Anschein erwecken konnte, jegliche Anpassungen von Statutenbestimmungen über ein bedingtes Kapital würden neu eine Prüfungsbestätigung benötigen. Korrekterweise hat das EHRA nun aber präzisiert, dass Art. 653i OR dem Schutz der Wandel- und Optionsberechtigten dient und somit nur bei einer ganzen oder teilweisen Aufhebung eines bedingten Kapitals zur Anwendung gelangt. Bei sonstigen Änderungen der Statutenbestimmung zum bedingten Kapital, z.B. bei einer Erhöhung des Betrags des bedingten Kapitals, ist Art. 653i OR gemäss dem EHRA hingegen nicht zu beachten und somit keine Bestätigung einer zugelassenen Revisionsexpertin nötig.

Aus unserer Sicht zutreffend ist überdies die in der Fachliteratur geäusserte Einschätzung, dass die neuen Offenlegungsvorschriften für die Verrechnungsliberierung im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus bedingtem Kapital nicht zur Anwendung gelangen, da die Beibehaltung des bisherigen Regulierungskonzepts für das bedingte Kapital in den Materialen zum neuen Aktienrecht ausdrücklich betont wurde.

4. Koordinationsfragen

In seiner neusten Praxismittteilung 2/23 adressiert das EHRA auch das Zusammenspiel von Kapitalband und bedingtem Kapital. Dieses ist insofern eine gewisse Herausforderung, als sie die Koordination zweier unterschiedlicher Konzepte erfordert. Einerseits die Kapitalveränderung innerhalb einer Bandbreite beim Kapitalband. Andererseits die Kapitalerhöhung im Umfang eines statutarisch fixierten Nennbetrags beim bedingten Kapital (letztere entsprechend dem Ansatz des altrechtlichen genehmigten Kapitals).

Die Praktikerin wird sich im Regelfall aber nicht mit den damit verbundenen Auslegungsfeinheiten auseinandersetzen müssen. Enthalten die Statuten keine entsprechenden Sonderregeln, handelt es sich bei einem bedingten Kapital, welches bereits bei der Einführung eines Kapitalbands bestand oder nachträglich eingeführt wird, um ein bedingtes Kapital ausserhalb des Kapitalbands. Dies bedeutet, dass die Grenzen des Kapitalbands nach jeder Erhöhung des Kapitals aus bedingtem Kapital (ausserhalb des Kapitalbands) durch den Verwaltungsrat im Erhöhungsumfang nachzutragen sind (Art. 653g Abs. 2 OR). Die beiden Institute können somit komplikationslos nebeneinander bestehen.

Besondere Regelungen in den Statuten sind nur zwingend, wenn die Ausgabe von Aktien aus dem Kapitalband und aus einem bedingten Kapital (im Nachgang der Ausgabe von aktiengebundenen Finanzierungsinstrumenten) in Abhängigkeit zueinander gestellt werden sollen, d.h. der Rückgriff auf eine dieser Platzierungsarten den Spielraum des Verwaltungsrats unter dem jeweils anderen Instrument beschränken soll. In diesem Fall wird von einem bedingten Kapital innerhalb des Kapitalbands gesprochen. Wie das EHRA nunmehr präzisiert hat, sind auch in diesem Fall die Angaben gemäss Art. 653b OR über das bedingte Kapital von der Generalversammlung in den Statuten zu fixieren. Die Ausgestaltung einer solchen Kombination ist im Einzelfall zu prüfen. Aus unserer Sicht dürfte es sich aber typischerweise anbieten, auch ein bedingtes Kapital innerhalb des Kapitalbands von Anfang an in einer separaten Statutenklausel neben der Ermächtigungsklausel auszusondern, da die Statutenklausel über das bedingte Kapital innerhalb des Kapitalbands zum Schutz der Options- und Wandelberechtigten über die Ermächtigungsdauer des Kapitalbands bestand haben muss, solange entsprechende Instrumente ausstehend sind. Aus Transparenzgründen verlangt das EHRA in dieser Konstellation den folgenden Vermerk im Handelsregister: «Kapitalband gemäss näherer Umschreibung in den Statuten teilweise mit bedingtem Kapital».

Bereits in der Praxismitteilung 1/23 hatte das EHRA festgehalten, dass bei einer Beschlussfassung über eine ordentlichen Kapitalveränderung an der gleichen Generalversammlung über die Einführung eines bedingten Kapital und/oder eines Kapitalbands beschlossen werden und dabei für die Bestimmung der Betragsgrenzen bereits auf die Kapitalziffer im Stand nach der ordentlichen Kapitalveränderung abgestellt werden kann, sofern die entsprechenden Beschlüsse gleichzeitig zur Eintragung angemeldet werden. Es ist zu begrüssen, dass das EHRA die Weitergeltung dieser bewährten bisherigen Praxis ausdrücklich bestätigt hat.

Weiterführend zu diesen und ähnlichen Koordinationsfragen: Sandro Bernet, Das Kapitalband als Instrument der Unternehmensfinanzierung, Zürich 2023, N 256 ff. (in Anhang 1 der genannten Publikation sind Vorschläge für eine Statutenklausel über ein bedingtes Kapital innerhalb des Kapitalbands enthalten).

5. Genehmigtes Kapital (Übergansregeln)

Schliesslich hat das EHRA in der Praxismitteilung 2/23 weitere Präzisierungen zu den Übergangsbestimmungen zum altrechtlichen genehmigten Kapital vorgenommen. Diese sehen bekanntlich vor, dass Statutenbestimmungen über ein genehmigtes Kapital unter Anwendung des bisherigen Rechts bis zu ihrem Ablaufdatum gültig bleiben, aber nicht mehr verlängert oder geändert werden können. Wie bereits in der Praxismitteilung 1/23 angemerkt bezieht sich dieses Anpassungsverbot indessen nur auf materielle Änderungen. Weiter zulässig sind gemäss dem EHRA somit insbesondere folgende Änderungen:

  • Anpassung des verfügbaren Nennbetrags und der verfügbaren Anzahl Aktien durch den Verwaltungsrat im Nachgang einer (weiterhin zulässigen) Teilausschöpfung eines genehmigten Kapitals.
  • Erforderliche Angleichungen der Statutenbestimmung über ein genehmigtes Kapital infolge einer Nennwertänderung oder eines Wechsels der Währung des Kapitals.
  • Redaktionelle Anpassungen der Statutenklausel über ein genehmigtes Kapital durch die Generalversammlung (z.B. Korrektur orthographischer Fehler).

Zum Verhältnis zwischen dem altrechtlichen genehmigtem Kapital und dem Kapitalband hatte das EHRA in der Praxismitteilung 1/23 festgehalten, dass die Einführung eines Kapitalbands mit der Ermächtigung (auch) zur Erhöhung des Kapitals nur möglich ist, wenn die Generalversammlung gleichzeitig die Bestimmung zum genehmigten Kapital aufhebt.

Im Zweifel können solche Übergangsfragen typischerweise beseitigt werden, indem die Generalversammlung ein bestehendes altrechtliches Kapital in ein (neues) Kapitalband mit einem materiell gleichen Ermächtigungsspielraum für den Verwaltungsrat überführt.

Bei Fragen steht das Gesellschafts- und Handelsrechts-Team gerne zur Verfügung.

Autoren: Sandro Bernet, Christoph A. Enz

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