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9. September 2020 Karte Europa, Schweiz in Rot

Am 27. September 2020 stimmt das Schweizer Volk über die Initiative "Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)" ab. Die Initiative entstand, weil die Initianten die Meinung vertreten, die im Jahre 2014 angenommene "Masseneinwanderungsinitiative" sei nicht richtig umgesetzt worden.

Die Initiative verlangt die Ausserkraftsetzung resp. die Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU. Durch den Wegfall der Personenfreizügigkeit würden die strengeren Vorschriften des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) neu auch für die EU/EFTA-Staatsangehörigen zur Grundlage für ihre ausländerrechtliche Regelung. Zudem würde eine Annahme der Initiative wohl die Beziehung zur EU gesamthaft in Frage stellen.

Der Beweggrund der Initianten war die Angst einer zu grossen Zuwanderung, welche zu einer steigernden Arbeitslosigkeit führen könne und somit den Wohlstand in der Schweiz gefährden würde. Gegner der Initiative argumentieren hingegen mit der Unentbehrlichkeit des, durch das Abkommen gesicherten, direkten Zugang zum europäischen Markt für Schweizer Unternehmen.

Inhalt der Initiative

Die Initiative verlangt eine eigenständige Regelung der Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz ohne Personenfreizügigkeit. So soll der Bundesrat auch das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA) auf dem Verhandlungsweg ausser Kraft setzen. Sollte dies nicht innerhalb von zwölf Monaten gelingen, so hat der Bundesrat das FZA innert 30 Tagen zu kündigen. Ferner dürfen auch neue völkerrechtliche Verträge gemäss Initiativtext keine Personenfreizügigkeit gewähren.

Der Bundesrat erachtet es als unrealistisch, dass die EU ein entsprechendes Verhandlungsmandat für die Ausserkraftsetzung verabschieden würde. Entsprechend müsste damit gerechnet werden, dass das FZA nach Ablauf der Frist durch die Schweiz einseitig gekündigt werden muss.

Aufgabe des dualen Systems in der Schweiz?

Derzeit kennt die Schweiz bei der Erteilung von Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen ein duales System. Ausländerinnen und Ausländer aus EU-28/EFTA Staaten erhalten aufgrund des Freizügigkeitsabkommens einen einfacheren Zugang zum schweizerischen Arbeitsmarkt. Die Personenfreizügigkeit gewährt einen bedingungslosen Rechtsanspruch auf Einwanderung in die Schweiz, solange die Voraussetzungen erfüllt sind. Verlangt wird namentlich, dass ein gültiger Arbeitsvertrag vorliegt, eine selbstständige Erwerbstätigkeit nachgewiesen werden kann oder bei Nichterwerbstätigkeit ausreichende finanzielle Mittel sowie eine umfassende Krankenversicherung vorhanden sind. Letztlich erlaubt es die Personenfreizügigkeit Arbeitgebern aber, rasch, flexibel und unbürokratisch Fachkräfte im EU/EFTA-Raum zu rekrutieren. Zudem profitieren auch Schweizerinnen und Schweizern vom einfacheren Zugang zum Europäischen Arbeitsmarkt.

Die Annahme der Initiative würde bedeuten, dass das duale System aufgegeben würde. Die strengen Vorschriften des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) würde neu auch für die EU/EFTA-Staatsangehörigen zur Grundlage für ihre ausländerrechtliche Regelung. Vor dem Hintergrund der heute für Drittstaatsangehörige geltenden Regeln würde dies für die EU/EFTA-Staatsangehörige namentlich Folgendes bedeuten:  

  • Begrenzung der Zuwanderung durch Kontingente (Art. 20 AIG)
  • Vorrang für inländische Arbeitskräfte (Art. 21 AIG)
  • Beschränkung der Zulassung auf qualifizierte Arbeitskräfte (Art. 23 AIG)

Im Vergleich zum heute geltenden Recht wären aufgrund des komplexeren Verfahrens zudem mit deutlich höheren Kosten für eine Arbeitsbewilligung zu rechnen.

Auswirkungen auf Beziehungen zur EU

Die Personenfreizügigkeit gehört zum ersten Paket der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU ("Bilaterale I"). Darin enthalten sind sieben Abkommen, die über eine "Guillotine-Klausel" miteinander verbunden sind. Dies bedeutet, dass mit der Kündigung der Personenfreizügigkeit auch alle anderen Verträge der Bilateralen I mit der EU ausser Kraft gesetzt werden. Betroffen wären die folgenden Bereiche: Technische Handelshemmnisse; Öffentliches Beschaffungswesen; Landwirtschaft; Landverkehr; Luftverkehr und Forschung. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass die EU auch alle weiteren Abkommen mit der Schweiz in Frage stellen könnte.

Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das Immigrationsteam gerne zur Verfügung.

Autoren: Sheila Pfenninger, Urs Haegi

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