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25. November 2024 Auswirkungen des revidierten Aktienrechts auf Schweizer Vereine

Gemäss verschiedenen Quellen beläuft sich die Zahl der Vereine in der Schweiz auf mehr als 100'000, und das Bundesamt für Statistik schätzt, dass rund 55% der Schweizer Einwohnerinnen und Einwohner über 16 Jahren aktiv oder passiv in einem Verein mitwirken, meist zu Freizeitzwecken. Die Vereinsstruktur wird aus den verschiedensten Gründen genutzt, vor allem jedoch, weil der Verein ein breites Spektrum an organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Der Verein nach Schweizer Recht wird aber auch regelmässig im internationalen Kontext eingesetzt, sei es als Governance-Struktur für eine Gruppe von (professionellen Dienstleistungs-)Unternehmen, im Profisport, in der Musik oder als Dachorganisation für Non-Profit-Organisationen.

Ein Verein kann viele verschiedene Grössen und Leitungsformen haben und ist daher gut geeignet, sowohl die Bedürfnisse kleiner lokaler Gruppen wie auch sehr grosser (internationaler) Organisationen zu erfüllen.

Die allgemeinen Regeln für den Verein finden sich in den Artikeln 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ("ZGB"). Der schweizerische Gesetzgeber hat jedoch in den letzten Jahrzehnten Bestimmungen, die in erster Linie für Aktiengesellschaften gelten, immer wieder auch auf den Verein (und die Stiftungen) angewandt, so zum Beispiel die Schwellenwerte für die Revisionspflicht.

Das revidierte Schweizer Aktienrecht ist inzwischen fast zwei Jahre alt. In den letzten Jahren wurden viele Bücher, Artikel und Kommentare zu dieser zentralen Revision für Schweizer Unternehmen geschrieben und seither wurden auch viele Erfahrungen mit der praktischen Anwendung der neuen Regeln gesammelt. Das Hauptaugenmerk lag jedoch jeweils auf den im Schweizerischen Obligationenrecht ("OR") geregelten juristischen Personen. Doch auch der Verein kann und muss das revidierte Aktienrecht teilweise als Spickzettel für seine eigene Corporate und Financial Governance nutzen. Insbesondere die umfassenden neuen Regeln zur virtuellen, hybriden und schriftlichen Generalversammlung bieten einen guten Werkzeugkasten für die Corporate Governance eines Vereins und eine rechtliche Grundlage, auf die er sich stützen kann. Zudem gelten die Finanzaufsichtspflichten (z.B. Art. 725 ff. OR) per Verweis für den Verein, was den Umfang der Aufsichtspflichten des Vorstandes verschärft. In jedem Fall ist es für einen Verein sinnvoll, sich näher mit dem revidierten OR und seinen möglichen Auswirkungen auf den Verein zu befassen.

Unternehmensführung in einem Verein

Was den Ablauf einer Generalversammlung betrifft, so enthält das überarbeitete OR nun Vorschriften über

  • Hybride Generalversammlungen;
  • Vollständig virtuelle Generalversammlungen;
  • Generalversammlungen ausserhalb der Schweiz;
  • Schriftliche Beschlüsse anstelle von physischen Versammlungen; und
  • Erwahrungsprotokolle über Beschlüsse durch den Vorstand und die Generalversammlungen (bei einem Verein durch die Mitglieder).

Bereits vor der Revision waren insbesondere Erwahrungsprotokolle des Vorstandes zu Mitgliederbeschlüssen oder Vorstandsbeschlüssen bereits weit verbreitet und viele Handelsregister haben eine liberale Praxis bei der Anerkennung solcher Erwahrungsprotokolle angewandt.

Bei anderen Formen der Versammlungsdurchführung ist es sinnvoll, die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des OR zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf technisch bedingte Unterbrechungen während der Versammlung und die Ausübung der Mitgliederrechte in einer Gesellschafterversammlung. Art. 701e OR definiert die technischen Mindestanforderungen für die Durchführung einer virtuellen Versammlung (Identität der Mitglieder ist klar, Abstimmungen werden direkt während der Versammlung angezeigt, jedes Mitglied kann während der Versammlung einen Punkt ansprechen und sich an der Diskussion beteiligen und das Abstimmungsergebnis kann nicht verfälscht werden).

Wenn der Vorstand eine Mitgliederversammlung entweder in einem hybriden Format oder ausschliesslich elektronisch abhalten möchte, ist er daher verpflichtet, ein elektronisches Teilnahmemittel zu wählen, das es dem Vorstand ermöglicht, jedes seiner Mitglieder zweifelsfrei zu identifizieren. Das Mittel muss in der Lage sein, (i) Abstimmungen anzunehmen, (ii) allen Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, sich während der Mitgliederversammlung zu äußern und (iii) keine Abstimmungen und Ergebnisse im System zu verfälschen. Wenn in einem Verein ausschliesslich elektronische Versammlungen eingeführt werden sollen, muss dem Vorstand ausserdem klar sein, dass die in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse nur dann gültig sind, wenn das elektronische Teilnahmemittel fehlerfrei funktioniert. Sollte das elektronische Teilnahmemittel ausfallen, gelten nur die bis zum Ausfall gefassten Beschlüsse als gültig. Alle anderen Beschlüsse müssen neu gefasst werden. Diese formellen Durchführungs- und Gültigkeitsregeln gelten auch für eine hybride Sitzung mit festem Tagungsort und elektronischer Teilnahmemöglichkeit.

Die anwendbaren Regeln (Art. 701 bis 701f OR) müssen zwar nicht zwingend auf einen Verein angewandt werden, doch ist es hilfreich, diese Vorschriften als Rahmen für die Gültigkeit einer virtuellen Mitgliederversammlung zu verwenden. Sofern die Statuten des Vereins keinen ausdrücklichen Hinweis enthalten, ist nur eine physische Versammlung eine gültige Mitgliederversammlung. Für einen Verein, der mehr Möglichkeiten zur Einberufung von Mitgliederversammlungen vorsehen möchte, aber noch nicht über die erforderliche Grundlage in seinen Statuten verfügt, kann es hilfreich sein, die Statuten von Gesellschaften zu prüfen, die beschlossen haben, ihre Statuten im Rahmen des revidierten OR anzupassen, bevor er seine eigenen Statuten aktualisiert.

Empfehlung: Wenn ein Verein mehr Flexibilität für seine Corporate Governance möchte, ist es sinnvoll, die Statuten zu aktualisieren und so mehr Optionen für die Durchführung einer Mitgliederversammlung aufzunehmen.

Finanzielle Aufsicht in einem Verein

Während jede Bezugnahme auf die neuen, vorgängig dargelegten Corporate Governance Regeln auf freiwilliger Basis erfolgt, gelten für die finanzielle Aufsicht im Verein strengere Regeln. Art. 69a und 69b verweisen ausdrücklich auf die Anwendung der Vorschriften des OR über die Buchführung und die Rechnungsprüfung des Vereins. Während der Verein also bei der Gestaltung seines Vorstands und der Generalversammlungen flexibel sein kann, lassen sich die grundlegenden Regeln für die Buchführung und die obligatorische Rechnungsprüfung nicht umgehen.

In diesem Zusammenhang ist es für einen Verein besonders wichtig, auch die Regeln zur finanziellen Governance gemäss Art. 725 ff. OR in Bezug auf Illiquidität, Kapitalverlust (was für einen Verein ohne Grundkapital weniger relevant ist) und Überschuldung zu beachten. Das heisst, der Vorstand ist im Rahmen seiner nicht übertragbaren Rechte und Pflichten gesetzlich verpflichtet, die finanzielle Stabilität des Vereins im Auge zu behalten und frühzeitig und proaktiv Massnahmen zur Stabilisierung im Falle der Überschreitung verschiedener Schwellenwerte zu ergreifen.

Der Vorstand wird insbesondere verpflichtet sein, in Notlagen Finanzierungen zu organisieren oder Umstrukturierungsmassnahmen zu ergreifen, um eine Überschuldung zu vermeiden. Um diesen Verpflichtungen nachzukommen, muss der Vorstand die Bilanz und die offenen Verbindlichkeiten des Vereins sorgfältig und regelmäßig prüfen.

Empfehlung: Ein Vorstand ist verpflichtet, die Finanzen des Vereins zu überprüfen und im Falle einer finanziellen Notlage aktiv Massnahmen zu ergreifen. Eine enge Begleitung der Finanzlage hilft, frühzeitig auf eine finanzielle Notlage aufmerksam zu werden.

Autoren: Pauline Pfirter, David Jenny

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