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2. März 2017 Aufbewahrung elektronischer Dokumente: Minenfeld für international tätige Unternehmen

Digital Business Law Bites # 24

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.

Die Aufbewahrung elektronischer Dokumente ist für internationale Unternehmen doppelt wichtig: Erstens müssen sie an allen Standorten die nationalen Gesetzesbestimmungen einhalten. Zweitens kann eine geschickte Strategie helfen, wichtige Gerichtsverfahren zu gewinnen.

Im heutigen Geschäftsverkehr explodiert die Datenmenge. Gemäss Schätzungen verdoppelt sich das Datenvolumen alle 1,2 Jahre. Bei vielen Unternehmen stellt die Aufbewahrung elektronischer Daten einen signifikanten Kostenfaktor dar.

Aus rechtlicher Sicht stellen sich zwei Fragen:

  • Was muss ein Unternehmen tun, um bei der Aufbewahrung elektronischer Dokumente die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten?
  • Sollen Dokumente, die keiner gesetzlichen Aufbewahrungspflicht unterstehen, aufbewahrt oder gelöscht werden?

Auch E-Mails betroffen

International tätige Unternehmen sind gut beraten, die Aufbewahrung von elektronischen Dokumenten nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Jedes Land hat eigene Vorschriften zur Aufbewahrung von Dokumenten. Werden diese nicht beachtet, drohen den fehlbaren Mitarbeitern strafrechtliche Sank­tionen.

Unter Schweizer Recht müssen zum Beispiel per E-Mail erfolgte Bestellungen und Auftragsbestätigungen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Bereits die fahrlässige Verletzung dieser Vorschrift kann strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Wie lange müssen Dokumente aufbewahrt werden?

Ein international tätiges Unternehmen steht auf den ersten Blick vor einer riesigen Herausforderung. Wie kann ein in hundert Ländern tätiges Unternehmen sicherstellen, dass die Aufbewahrungsvorschriften in all diesen Ländern erfüllt werden?

Als ersten Schritt hat es für jedes Land Folgendes zu erfassen:

  • Voraussetzungen der Anwendbarkeit des nationalen Rechts (z. B. Standort im Land);
  • Kategorien aufzubewahrender Dokumente (z. B. Bilanz, Geschäftskorrespondenz, etc.);
  • Form der Aufbewahrung (Original, Kopie, in elektronischer Form);
  • Dauer der vorgeschriebenen Aufbewahrung.

Die richtige Strategie wählen

In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob das Unternehmen freiwillig mehr Dokumente aufbewahren will als gesetzlich vorgeschrieben. Einerseits kann dies bereits aus betrieblichen Gründen nützlich sein. Andererseits ist es in späteren Gerichtsverfahren oft entscheidend, ob das Unternehmen relevante Dokumente aufbewahrt hat oder nicht.

In sogenannten «civil law»-Ländern, d. h. Ländern, welche nicht der englischen Rechtstradition folgen (u. a. kontinentaleuropäische Länder, Japan, Festland-China etc.), werden Prozesse hauptsächlich mit eigenen Dokumenten geführt. Eine Pflicht der Gegenseite, im Prozessfall Dokumente herauszugegeben, besteht - soweit nicht anders vereinbart - meist nur in sehr beschränktem Ausmass. In diesen Ländern kann es für den Prozesserfolg sehr vorteilhaft sein, wenn zum Beispiel Entwürfe aus Vertragsverhandlungen oder Berichte zur Umsetzung von Projekten aufbewahrt werden. Dadurch kann das Unternehmen den eigenen Standpunkt im Streitfall besser beweisen.

«Document retention policy» reduziert US-Prozessrisiken

Für Grosskonzerne liegen die grössten Prozessrisiken aber meist nicht in «civil-law»-Ländern, sondern in den USA. Banken, Pharmaunternehmen und Automobilhersteller haben erlebt, was es bedeutet, in die Mühlen der US-Justiz zu geraten. Gefahr droht Unternehmen einerseits durch US-Strafverfahren und andererseits durch zivilrechtliche Sammelklagen. Exorbitante Bussen und sogenannte «punitive damages» können ganze Jahresgewinne grosser Unternehmen zunichtemachen.

In US-Zivilverfahren haben Unternehmen grundsätzlich alle relevanten Dokumente auf den Tisch zu legen. In US-Strafverfahren kann der Staatsanwalt – wenn ein Unternehmen nicht wie üblich kooperiert und relevante Dokumente «freiwillig» offenlegt – diese beschlagnahmen.

Grundsätzlich ist die Ausgangslage für US-Verfahren somit die folgende: Je mehr Dokumente ein Unternehmen freiwillig aufbewahrt, desto grösser das Risiko, dass aggressive Kläger- oder Staatsanwälte eine sogenannte «smoking gun» finden, welche ein (angebliches) Fehlverhalten des Unternehmens belegt. Für Unternehmen mit starkem US-Bezug ist daher eine «document retention policy», welche typischerweise eine kurze Dauer für das Aufbewahren von E-Mails und anderen elektronischen Dokumenten vorsieht, ein «must have».

Bei Unternehmen, welche eine separierte US-Einheit haben, kann es sinnvoll sein, eine «document retention policy» für diese und eine separate für die übrigen Einheiten zu erstellen.

Oft empfehlenswert: Automatisierte ­Dokumentenablage

Ist eine «document retention policy» einmal erstellt, hat das Unternehmen seine Ablage - elek­tronisch und in Papierform - entsprechend dieser zu organisieren. Für die elektronische Ablage empfiehlt sich ein automatisiertes System. Wird manuell abgelegt, führt dies in der Regel zu übermässig hohen Kosten. Schliesslich hat das Unternehmen seine Mitarbeiter darüber zu informieren, wie die automatische Ablage funktioniert und sie zu instruieren, welche Dokumente im Original (Bilanz, Geschäftsbericht, unterzeichnete Verträge etc.) abzulegen sind.

Autor: Reto Marghitola