
Der erste Teil dieses Beitrags hat behandelt, wann und weshalb Athletenorganisationen in Einzelsportarten sowohl für Athleten als auch für übergeordnete Sportverbände aus wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht Sinn machen. Dieser zweite Teil des Beitrags zeigt auf, wie Athleten solche Organisationen gründen können und worauf bei der Strukturierung hauptsächlich zu achten ist.
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Athletenorganisationen - Teil 2 - VISCHER | Podcast on Spotify
Gründung von Athletenorganisationen nach Schweizer Recht?
Die Gründung von Athletenorganisationen, die die Interessen sämtlicher internationaler Athleten einer Sportart wahren und durchsetzen will, muss nicht nach Schweizer Recht geschehen. Vielmehr können die Athleten sie nach jedem beliebigen Recht und freier Sitzwahl beinahe überall auf der Welt gründen. Die Argumente, die für eine Gründung in der Schweiz sprechen, sind eher weicher – aber dennoch oftmals von nicht zu unterschätzender – Natur. Es handelt sich dabei unter anderem um die folgenden:
- Die Schweiz stellt traditionell ein Knotenpunkt des internationalen Sports dar und verfügt über eine etablierte Sportinfrastruktur. Zudem haben die meisten internationalen Sportverbände ihren Sitz in der Schweiz und sind folglich auch nach Schweizer Recht strukturiert. Die geografische Nähe hat auch das Potenzial, den Austausch der Geschäftsstellen eng zu halten und damit politische und wirtschaftliche Nähe zu schaffen.
- Sofern der Verein als geeignete Rechtsform in Frage kommt (siehe Ausführungen hierzu im nächsten Kapitel), so erlaubt das Schweizer Vereinsrecht eine sehr flexible Ausgestaltung der Athletenorganisation, die je nach Zweck, Bedarf und den individuellen Umständen eines bestimmten Sports strukturiert werden kann.
- Falls die Athletenorganisation anstrebt, als Vereinsmitglied bei einem internationalen Sportverband aufgenommen zu werden (soweit zu gegebenem Zeitpunkt statutarisch möglich) oder auf andere Weise mit letzterem zusammenarbeiten will (z.B. Vorschlagsrecht für die Mitglieder der Athletenkommission oder für die Athletenvertreter im Vorstand des internationalen Sportverbands) kann die Strukturierung nach Schweizer Recht solche Initiativen deutlich vereinfachen und einige rechtliche Abklärungen im Zusammenhang mit ausländischem Recht und internationalen Verhältnissen ersparen.
- Weitere Gründe für die Strukturierung in der Schweiz sind die politische Neutralität und Stabilität, das rechtssichere Umfeld und die förderliche steuerrechtliche Behandlung internationaler Sportverbände.
Welche Rechtsform eignet sich am besten?
Zur Gründung von Athletenorganisationen bietet sich in der Schweiz der Verein gemäss Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) an, weil dieser den persönlichen Einsatz des Mitglieds und nicht den Einsatz von Kapital (wie dies bei Kapitalgesellschaften der Fall wäre) ins Zentrum stellt. Mit dem persönlichen Einsatz von Mitgliedern bzw. Athleten ist in erster Linie deren Mitwirkung an der Willensbildung zur Förderung der Athleteninteressen gemeint und soweit statutarisch vorgesehen die Beitragspflicht (siehe Ausführungen zu den Statuteninhalten weiter unten).
Das Schweizer Recht kennt weitere solche personenbezogenen Gesellschaften (wie bspw. die einfache Gesellschaft, Kollektivgesellschaft, Kommanditgesellschaft und Genossenschaft). Aufgrund
- der grossen Flexibilität bei der Ausgestaltung des Vereins,
- die auf das Vereinsvermögen beschränkte Haftung, und
- den überwiegenden ideellen Zweck einer Athletenorganisation,
wird sich in den meisten Fällen der Verein als geeignetste Rechtsform herausstellen. Zwar wird ein Teil des Zwecks oft auch darin bestehen, wirtschaftlich bessere Rahmenbedingungen für die eigenen Mitglieder (bzw. Athleten) durchzusetzen (z.B. höhere Preisgelder an Veranstaltungen, Fonds zur Unterstützung sozial benachteiligter, verletzter oder sonstigen Athleten als Mitglieder etc.). Sofern die wirtschaftlichen Ziele der eigenen Mitglieder im Vordergrund stehen, könnten die Athleten auch die Gründung einer Genossenschaft gemäss Art. 828 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) ins Auge fassen. Deren Strukturierung ist jedoch deutlich aufwändiger und kann einige vermögensmässige Pflichten an die Mitglieder stellen. Im Übrigen handelt es sich so lange nicht um einen wirtschaftlichen Zweck, als dass die Athletenorganisation nebst anderem auch die wirtschaftlichen Interessen der Nichtmitglieder befriedigt. Diesfalls verfolgt sie aber eine wirtschaftliche, sozial- und sportpolitische Aufgabe.
Athletenorganisationen werden aber regelmässig ein übergeordnetes Interesse haben, dass sich möglichst viele Athleten einer Sportart der eigenen Athletenorganisation anschliessen und die Hürden des Eintritts für bestehende Athleten möglichst klein sind. Dazu kommt, dass der wirtschaftliche Zweck nicht im Zentrum steht, sondern eher einer von vielen weiteren Zwecken sein wird, die eher ideeller Natur sind (siehe Ausführungen zu den Statuteninhalten weiter unten) und dass die oben genannten Beispiele zur wirtschaftlichen Aufgabe oft zugunsten sämtlicher Athleten erfolgen werden (auch von jenen, die nicht Mitglied der Athletenorganisation sind), da sie auf Reglementsänderungen bei Sportorganisationen gerichtet sind. Auch diese Absicht würde letztlich klar gegen eine Genossenschaft und für einen Verein als geeignete Rechtsform sprechen.
Die erforderlichen Schritte zur Gründung
Die Athletenorganisation als Verein entsteht unter folgenden Voraussetzungen:
- Obwohl das Gesetz keine Mindestzahl an Gründungsmitgliedern vorsieht, geht die Schweizer Praxis davon aus, dass zwei Personen für eine rechtsgültige Vereinsgründung reichen. Für Athletenorganisationen sollte dies kein Problem darstellen, denn der gemeinsame Wille, eine Organisation zur Interessenwahrung von Athleten zu gründen, sollte für deren Wirksamkeit ohnehin bei deutlich mehr wie zwei Athleten vorhanden sein, die sich von Beginn an einer Athletenorganisation anschliessen.
- Die Athleten müssen gemäss Art. 60 Abs. 2 ZGB die Statuten schriftlich verfassen, wobei sich die Statuten mindestens zum Vereinszweck, zu den Vereinsmitteln und zur Organisation zu äussern haben (siehe die Ausführungen zu den Statuteninhalten weiter unten). Wir empfehlen, dass die als zeichnungsberechtigt festgelegten Personen die Statuten mit dem Beschluss der Gründungsversammlung handschriftlich unterschreiben.
- Zur Gründung eines Vereins ist eine Gründungsversammlung erforderlich. Da gerade im Spitzensport Athleten permanent auf Reisen an unterschiedlichsten Wettkämpfen und Trainings sind, empfiehlt es sich, dies im Rahmen einer Online-Konferenz durchzuführen. Dies ist gestattet, sofern die Statuten ausdrücklich vorsehen, dass Vereinsversammlungen online und/oder hybrid durchgeführt werden können. Im Rahmen der Gründungsversammlung ist zudem ein Beschlussprotokoll zu erstellen, in dem die Gründungsmitglieder festhalten, dass sie den Verein gründen wollen, indem sie die Statuten genehmigen und die Organe (insbesondere den Vorstand) wählen. Vertretungen an der Gründungsversammlung müssen bevollmächtigt sein, sofern eine Vertretung von Vereinsmitgliedern an einer Vereinsversammlung nach Massgabe der Statuten möglich ist. Zudem braucht es allfällige weitere Dokumente (bspw. Domizilannahmeerklärungen, Wahlannahmeerklärungen etc.). Sofern die Gründungsversammlung online durchgeführt wird, kann diese bei Einverständnis aller Beteiligten auch aufgezeichnet und als Beschlussprotokoll verwendet werden.
- Zumeist empfiehlt sich, gleich im Anschluss an die Gründungsversammlung eine Vorstandssitzung abzuhalten und über die je nach statutarischen Aufgaben des Vorstands notwendigen Geschäfte zu beschliessen (wie z.B. Festlegung der Zeichnungsberechtigungen).
Strukturierung und wichtigste statutarische Inhalte
Gerade weil das Schweizer Vereinsrecht den Gründermitgliedern sehr viel Autonomie beim Erlass und der Anwendung der Regeln einräumt, ist zum Aufbau einer effektiven Organisation eine intensive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Zielen eines Vereins bereits beim Verfassen der Statuten unumgänglich. Im Folgenden sind deshalb – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige der inhaltlich wichtigsten Punkte aufgeführt, die es für Athleten üblicherweise im Zusammenhang mit den Statuten bzw. mit der Organisation und Strukturierung zu berücksichtigen, abzuwägen und in den Statuten festzuhalten gilt:
- Zweck: Hierbei handelt es sich um die eigentliche Identität einer Athletenorganisation. Athleten sollten den Zweck so definieren, dass letztlich klar ist, was die Aufgabe der Athletenorganisation ist, ohne sich unnötig einzuschränken. Im Vordergrund steht dabei, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen, rechtlichen und ausbildungstechnischen Verhältnisse für alle Athleten zu verbessern und einen engen Kontakt zu den massgeblichen Sportorganisationen; insbesondere zu den internationalen Sportverbänden als Regelgeber, zu pflegen. Weiter kann der Zweck unter Hinweis auf eine nicht abschliessende Auflistung einige besonders wichtige Aufgaben herausstreichen. Folgende Ziele stehen bei Athletenorganisationen typischerweise an erster Stelle:
- Einbezug, Mitsprache, Teilnahme bei wichtigen Entscheiden des internationalen Sportverbands, die Auswirkungen auf die technischen Aspekte des Sports und die Geschäfte der Athleten als (Einzel-)Unternehmen haben;
- Wahrung der legitimen Interessen und globalen Rechte der Athleten (inklusive Schutz des Namens, des Images, der Leistung und der weiteren Rechte der Athleten) und dass entsprechende Einwilligungen der kommerziellen und nicht-kommerziellen Verwendung der Athletenrechte durch die übergeordneten Sportorganisationen freiwillig, auf angemessener Informationsbasis und zu fairen Konditionen erfolgt;
- Erhöhung der Preisgelder an Wettkämpfen;
- Verbesserung und Entwicklung der Sicherheit und Gesundheit der Athleten (inklusive R&D von begünstigenden technologischen Anwendungen);
- Unterstützung (z.B. Risikofonds, reglementarische Anpassungen zur Erleichterung) von verletzten, kranken, schwangeren oder sonst die Sportkarriere unterbrechenden Athleten;
- Förderung und Vorbereitung von Athleten für die Karriere nach der aktiven Sportkarriere.
- Mittel: Die Mittel, mit der die Athletenorganisation ihr Vereinsvermögen bilden kann, können aus unterschiedlichen Quellen stammen. Bei Athletenorganisationen liegen besonders folgende Mittel auf der Hand:
- Fixe und/oder variable Mitgliederbeiträge: Die Statuten können diesbezüglich fixe Beträge festlegen, die die Athleten jährlich zu bezahlen haben. Denkbar ist aber auch, dass Athleten (kleine) Anteile des offiziellen bei den Wettkämpfen ausgezahlten Preisgeldes an die Athletenorganisationen abgeben. Die Beiträge wären dann unterschiedlich hoch (wobei die Athletenorganisation bspw. je nach Höhe der Beiträge unterschiedliche Stimmrechte einräumen kann, zu beachten ist, dass es dabei vereinsrechtliche Grenzen gibt – siehe Ausführungen weiter unten).
- Beiträge von Dritten und/oder Veranstaltungen: Eine Athletenorganisation kann für Sponsoren interessant sein, da gerade persönliche Sponsoren von Athleten einige Vorhaben und Ziele der Athleten unterstützen dürften und einige Marken ihr Image in Zusammenhang damit setzen wollen. Ausserdem wäre eine Athletenorganisation prädestiniert dazu, Anlässe wie bspw. Spendenveranstaltungen durchzuführen, da bekannte Gesichter viele private und öffentliche Spender anziehen dürften. Athleten im Spitzensport verfügen zudem über ein ausgezeichnetes Netzwerk, wobei Beiträge auch von Gönnern, Investoren oder weiteren Personen, die ein Interesse an der Agenda einer Athletenorganisation haben, fliessen können.
- Mitgliedschaft: Zunächst muss die Athletenorganisation die Voraussetzungen für jede Art von Mitgliedschaft festhalten (z.B. sind nur Athleten einer bestimmten oder mehrerer Sportarten eines Dachverbands zugelassen? Dürfen nur Athleten der höchsten Stufe beitreten? Wie definiert sich die höchste (Wettkampf-)Stufe genau?). Neben Aktivmitgliedern dürften Athletenorganisationen ein Interesse daran haben, Passivmitglieder aufzunehmen, damit möglichst viele Athleten einer Sportart der Athletenorganisation beitreten und diese auch den direkten Zugang zu allen Athleten hat. Es ist nämlich vorhersehbar, dass gerade im Einzelsport nicht alle Athleten gewillt sind, entsprechende Beiträge zu bezahlen; eher würden aber wohl einige eine entsprechende Unterwerfungserklärung unter die Statuten und Reglemente der Athletenorganisation abgeben. Neben Aktiv- und Passivmitgliedern kommen typischerweise noch Ehrenmitgliedschaften, oder besondere Mitgliedschaften (z.B. bei Karriereunterbrüchen, Verletzungen etc.) in Betracht. Nebst dem Beitritt ist auch der Ausschluss zu regeln, sofern bestimmte Gründe (z.B. Wettkampfsperren) zum sofortigen Ausschluss führen sollen, ohne dass ein Vereinsbeschluss (d.h. ein Beschluss der Vereinsversammlung) notwendig wäre.
- Rechte von Mitgliedern: Nebst dem Recht, Anträge an die Vereinsversammlung zu stellen, kommt den Mitgliedern insbesondere das Stimmrecht zu. Die Statuten können vorsehen, dass die Athleten unterschiedliche Stimmrechte haben (also dass einzelne Athleten mehr als eine Stimme haben), zum Beispiel abhängig vom oben genannten variablen Mitgliederbeitrag. Selbstverständlich darf eine entsprechende statutarische Regelung keine kapitalgesellschaftlichen Züge annehmen. Doch handelt es sich bei Art. 67 ZGB, der besagt, dass alle Mitglieder über das gleiche Stimmrecht verfügen (sog. Kopfstimmprinzip), um dispositives Recht. Die Festlegung eines Mehrfachstimmrechts könnte mit Blick auf den Zweck einer Athletenorganisation Sinn machen, da jene Athleten, die bspw. deutlich höhere Preisgelder einnehmen und demnach auch höhere Mitgliederbeiträge bezahlen würden, zugleich in der gesamten Sportart im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, wobei ihre Aussagen, Meinungen und Initiativen in der Öffentlichkeit und der Sportpolitik gleichzeitig mehr ins Gewicht fallen. Damit aber der vereinsrechtliche Rahmen nicht gesprengt würde, erachten wir eine Abstufung von 1 bis 5 Stimmen pro Mitglied bzw. Athlet als vertretbar.
- Organisation: Die Athletenorganisation verfügt in den Anfängen normalerweise über folgende Organe:
- Vereinsversammlung / "Athletenkongress"
- Vorstand
- Komitees (sofern ein Bedarf für Expertengruppen besteht – z.B. mit Bezug auf Sicherheit/Safeguarding/Material, Wettkampforganisation/-kalender, Ethik/Recht, ESG, Marketing/Preisgelder, Finanzielles und dergleichen)
- Revisionsstelle (sofern nicht verzichtet und/oder gesetzlich erforderlich)
Die Organisation und Governance der einzelnen Organe ist Gegenstand eines weiteren Beitrags. Für die Statuten vordergründig relevant ist sicherlich, dass die Zusammensetzung jedes einzelnen Organs, die Amtsdauer und die jeweiligen Aufgaben bzw. Zuständigkeiten in den Statuten festgelegt werden. Zudem sollten die Statuten in Bezug auf die Vereinsversammlung sowie die Vorstandssitzung die Formalitäten und Fristen der Einberufung und Antragstellung, allfällige Vertretungsmöglichkeiten (z.B. zur Vereinsversammlung bzw. dem Athletenkongress nur durch andere Athleten, die ebenfalls Mitglieder sind) sowie die Möglichkeit zur Durchführung dieser Versammlungen und Sitzungen online und/oder hybrid vorsehen (zumal Athleten viel auf Reisen unterwegs und normalerweise kaum jemals alle am gleichen Ort auf der Welt sind).
Die vertiefte Auseinandersetzung mit den individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten der jeweiligen Sportart und die Berücksichtigung der oben angeführten Punkte sind Grundlage und unumgänglich zur Strukturierung einer wirksamen Athletenorganisation. Beim Aufbau einer solchen Organisation unterstützen wir Sie gerne mit unserer Expertise.
Darüber hinaus stellen sich viele weitere Fragen im Zusammenhang mit der weiteren Organisation und Governance, auf die wir in einem weiteren Beitrag zu einem späteren Zeitpunkt eingehen werden.
Autoren: Moritz Jäggy, Sven Hintermann