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6. Juli 2022 Arbeit bei Hitze

Ausgangslage

Besonders heisse Sommertage und Hitzeperioden häufen sich in der Schweiz. Dabei kann sich die Hitze sowohl auf die Gesundheit als auch die Arbeitsleistung von Arbeitnehmenden auswirken. Dem Arbeitgebenden, welcher sich um den Gesundheitsschutz seiner Arbeitnehmenden zu kümmern hat, kommt demnach ein eigenes Interesse zu, mit angemessenen Temperaturen ein angenehmes Arbeitsklima zu schaffen. Die persönlichen Präferenzen spielen beim Empfinden der "angenehmen" Temperatur zwar stets eine Rolle, trotzdem gibt es gewisse arbeitsrechtliche Vorgaben und Weisungen des SECOs, welche von Arbeitgebenden zu beachten sind. Sorgen diese nicht für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, können verschiedene rechtliche Konsequenzen drohen.

Rechtliche Grundlagen

Der Gesundheitsschutz als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Arbeitgebenden verlangt gemäss Art. 328 Abs. 2 Obligationenrecht (OR), dass der Arbeitgebende alle Massnahmen treffen muss, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind, soweit es ihm mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung billigerweise zugemutet werden kann. Das Schweizer Arbeitsgesetz (ArG) konkretisiert den Gesundheitsschutz.

Art. 6 ArG wiederholt im Wesentlichen die Bestimmung aus dem Privatrecht und hält zudem fest, dass Arbeitgebende insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten haben, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmenden nach Möglichkeit vermieden werden. Des Weiteren wird auf die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3) verwiesen. Art. 16 ArGV 3 statuiert sodann u.a., dass die Raumtemperatur, Luftgeschwindigkeit und relative Luftfeuchtigkeit so zu bemessen und aufeinander abzustimmen sind, dass ein der Gesundheit nicht abträgliches und der Art der Arbeit angemessenes Raumklima gewährleistet ist.

Vorgaben zur Raumtemperatur

Das Arbeitsgesetz und dessen Ausführungsbestimmungen (inkl. Wegleitung) enthalten verschiedene Vorgaben zu unterschiedlichen Klimaparametern, die aufeinander abgestimmt sein müssen. Bei Hitze sind insbesondere die Vorgaben zu den Temperaturen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen, die ein Handeln des Arbeitgebenden verlangen können. Andernfalls kann grosse Hitze zu einer unerwünschten Stresssituation und unzumutbaren Arbeitsbedingungen führen. Was genau ein "nicht abträgliches und der Art der Arbeit angemessenes Raumklima" bedeutet, unterscheidet sich nicht zuletzt auch nach dem Ausführungsort der Tätigkeit.

Die Wegleitung des SECO zu Art. 16 ArGV 3 hält zur Raumtemperatur generell fest, dass aus arbeitsphysiologischer Sicht bei Büroarbeit und sitzender Tätigkeit in warmen Jahreszeiten gute Bereiche für Lufttemperaturen zwischen 23°C und 26°C sind. Bei stehender und gehender, leichter bis mittelschwerer Arbeit sollte die Lufttemperatur bereits auf 18°C bis 21°C heruntergekühlt werden und ab mittelschwerer körperlicher Arbeit, wie z.B. auf Montage, sollten sich die Temperaturen zwischen 16°C und 19°C einpendeln. Die Lufttemperatur ist die Temperatur der Luft am betrachteten Arbeitsplatz.

Arbeiten in nicht klimatisierten Fahrerkabinen, wie z.B. in Bussen oder Krananlagen, gehören dabei klimatisch zu den beschwerlichen Tätigkeiten, welche besondere Schutzmassnahmen erfordern. Dies, weil die deutlich über den Aussentemperaturen liegenden "Kabinentemperaturen" den Kreislauf stark belasten und die Aufmerksamkeit beeinträchtigen können.

Während einer Hitzeperiode müssen in Räumen ohne Klimatisierung gemäss Wegleitung des SECO auch höhere Temperaturen toleriert werden. Der Arbeitgebende hat jedoch dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmenden vor übermässiger Sonneneinwirkung sowie Wärmestrahlung, welche durch Betriebseinrichtungen resp. Arbeitsvorgänge verursacht werden, geschützt sind. Geeignete Schutzmassnahmen sind insbesondere Sonnenschutzgläser, Beschattungselemente in der Fassade oder Sonnenstoren. Zusätzlich sollen die Räume künstlich oder auf natürliche Weise gelüftet werden, wobei eine zusätzliche Luftzirkulation und Abkühlung durch Ventilatoren oder mobile Klimageräte erzeugt werden kann.

Gewissen Personengruppen, wie z.B. schwangeren Frauen sowie übergewichtigen oder älteren Arbeitnehmenden, ist aufgrund ihrer besonderen Empfindlichkeit Hitze gegenüber besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei älteren Arbeitnehmenden kommt den Arbeitgebenden generell eine erhöhte Fürsorgepflicht zu. Als Teil des öffentlich-rechtlichen Arbeitsrechts deklariert Art. 8 der Verordnung des WBF über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Mutterschaftsverordnung) eine Arbeit in Innenräumen bei Raumtemperaturen über 28°C als gefährlich. Der Begriff der "Raumtemperatur" setzt sich dabei aus der Lufttemperatur sowie der Raumlufttemperatur, welche die Temperatur der Raumluft in der Raummitte einen Meter über dem Boden misst, zusammen.

Die rechtlichen Vorgaben sowie Empfehlungen des SECO für Bürogebäude sind auch im Homeoffice bei entsprechenden Gesundheitsrisiken von Arbeitnehmenden zu beachten. Dies ist der Fall, weil Arbeitgebende auch in diesem Fall verpflichtet sind, für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden zu sorgen und entsprechende Massnahmen umzusetzen.

Kein "Hitzefrei"

Im Unterschied zu anderen Ländern, z.B. Österreich, gibt es in der Schweiz auch auf Baustellen oder bei der Kabinenarbeit kein "Hitzefrei". Dennoch sind besondere Schutzmassnahmen zu treffen. Solche sollen in Gestalt eines Schutzes vor übermässiger Sonneneinwirkung bei Arbeit im Freien oder einer Klimatisierung der Kabinen getroffen werden. Sollte letzteres nicht möglich sein, müssen kompensatorische Massnahmen, wie z.B. eine spezielle Pausenregelung, getroffen werden.

Bei Raumtemperaturen von über 30°C ist in jeden Fall eine erhöhte Aufmerksamkeit von Nöten, da Hitzebeschwerden ab diesen Temperaturen schneller auftreten können und mit Leistungseinbussen zu rechnen ist.

Mögliche Konsequenzen

Bei Verdacht auf Verstösse gegen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes kann es zu Anzeigen bei den Vollzugsbehörden kommen, welche in der Regel die kantonalen Arbeitsinspektorate sind. Solche Meldungen werden aufgrund des Amtsgeheimnisses der Inspektoren auf vertraulicher Basis behandelt. Diese können an den Arbeitgebenden treten und die Umsetzung von angemessenen Schutzmassnahmen zugunsten der Gesundheit der Arbeitnehmenden verlangen.

Eine Verfügung der Behörden kann mit der Androhung einer Busse im Widerhandlungsfall verbunden werden. Bei anhaltender Nichtbeachtung der rechtlichen Vorgaben bzw. behördlichen Anordnungen kann diese schliesslich fällig werden. Als letzte Massnahme kann theoretisch gar die Benützung der Räume oder Einrichtungen des Arbeitgebenden verhindert resp. der Betrieb für eine gewisse Zeit geschlossen werden.

Eine Verletzung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Arbeitsgesetzes in Bezug auf den Gesundheitsschutz kann auch eine strafrechtliche Verantwortung des Arbeitgebenden hervorrufen. Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. a ArG droht Arbeitgebenden bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über den Gesundheitsschutz eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen. Bei juristischen Personen richtet sich dabei die Strafuntersuchung gegen die Organmitglieder, wie z.B. den Verwaltungsrat, die geschäftsführenden Gesellschafter sowie die tatsächlich leitenden Personen.

Betroffenen Arbeitnehmenden steht theoretisch die Geltendmachung einer Vertragsverletzung gemäss Art. 97 OR in Verbindung mit der verletzten Fürsorgepflicht von Art. 328 Abs. 2 OR offen. In besonders schwerwiegenden Fällen ist nach vorgängiger Ermahnung eine Arbeitsverweigerung denkbar, wobei sich der Arbeitgebende im Annahmeverzug befindet und somit zur Zahlung des Lohnes weiterhin verpflichtet bleibt. Die Arbeitnehmenden haben letztlich auch die Möglichkeit zu kündigen.

Empfehlung

Die Arbeitgebenden sind rechtlich verpflichtet und gut beraten, der Gesundheit aller Arbeitnehmenden Sorge zu tragen. Dazu gehört auch ein angenehmes Raumklima. Ein solches bezweckt nicht nur den Gesundheitsschutz und die effiziente Arbeitsleistung, sondern hat den angenehmen Nebeneffekt der Förderung des guten Betriebsklimas.

Die Massnahmen sind stets nach der jeweiligen Angemessenheit und Verhältnismässigkeit zu beurteilen. Eine gute Abdichtung durch Storen, Ventilatoren, mobile Klimageräte, gelockerte Kleidervorschriften und bereit gestelltes Wasser sowie andere kompensatorische Massnahmen sind bei extremen Hitzeperioden einfach umsetzbare und wirksame Mittel, die Abhilfe schaffen können.

Unser Arbeitsrechtsteam steht Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.

Autoren: Anela Lucic, Bettina Fischer

Autorin