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26 novembre 2024 Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO): Verhandlungen mittels elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung

Ab dem 1. Januar 2025 wird sich der Ablauf von Zivilprozessen in der Schweiz voraussichtlich spürbar verändern. Bisher fanden Verhandlungen vor Zivilgerichten – mit Ausnahme einer kurzen Phase während der Corona-Pandemie – ausschliesslich physisch in einem Gerichtssaal statt. Mit der Revision der Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Gesetzgeber nun die Möglichkeit geschaffen, Verhandlungen auch per Video- oder Telefonkonferenzen durchzuführen. Diese Neuerung schafft mehr Flexibilität und erleichtert den Zugang zum Zivilprozess – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Änderungen:

1. Virtuelle Verhandlungen im Zivilprozess

Schweizerische Zivilgerichte können künftig Verhandlungen mithilfe elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung, insbesondere durch Videokonferenzen, abhalten und/oder den Verfahrensparteien die Teilnahme auf diesem Wege gestatten. Beim Einsatz von elektronischen Mitteln ist das Gericht flexibel: Hybride Lösungen oder der teilweise Einsatz solcher Technologien sind ebenso denkbar, wie rein virtuelle Gerichtsverhandlungen. Dadurch lassen sich Hürden für die Verfahrensbeteiligten, wie etwa die räumliche Distanz oder eingeschränkte Mobilität für die Verfahrensbeteiligten abbauen.

Die neuen Bestimmungen betreffen nicht nur Kläger und Beklagte, sondern auch weitere Verfahrensbeteiligte, wie Zeugen, Gutachter oder Prozessvertreter. Alle Beteiligten – nicht nur die Parteien – können beim Gericht eine virtuelle Teilnahme am Verfahren beantragen. Daneben kann das Gericht auch von sich aus entscheiden, eine Verhandlung in der Form einer Videokonferenz durchzuführen.

Ist das persönliche Erscheinen gesetzlich vorgegeben, erfordert die Durchführung einer virtuellen Verhandlung allerdings stets, dass alle Beteiligten ihre Zustimmung erteilen. Andernfalls ist weiterhin eine physische Verhandlung durchzuführen. Und selbst wenn aber alle Beteiligten damit einverstanden sind, liegt es immer im Ermessen des Gerichts, ob von elektronischen Mitteln zur Ton- und Bildübertragung Gebrauch gemacht wird.

In jedem Fall müssen beim Einsatz elektronischer Mittel bestimmte (technische) Voraussetzungen erfüllt sein, z.B.:

  • Die Übertragung von Bild und Ton muss für alle Beteiligten zeitgleich erfolgen;
  • Datenschutz und Datensicherheit müssen gewährleistet werden;
  • Gewisse Verfahrenshandlungen (z.B. Parteibefragungen) müssen aufgezeichnet werden;
  • Ist das persönliche Erscheinen einer Partei vorgeschrieben, wie bei einer Schlichtungsverhandlung, dürfen keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen gegen eine Durchführung mithilfe elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung sprechen.

2. Weitere Aspekte der neuen Bestimmungen

Eine zentrale Neuerung betrifft die Befragung von Zeugen. Gerichte dürfen Zeugeneinvernahmen neu per Videokonferenz oder mithilfe anderer elektronischer Mittel durchführen. Auch hier ist eine flexible Vorgehensweise möglich. Die Einvernahme kann ausschliesslich per Videokonferenz erfolgen, indem alle Beteiligten zugeschaltet werden, oder der Zeuge allein wird aus der Ferne per Video in den Gerichtssaal übertragen. Eine Zustimmung der Parteien ist hierfür nicht erforderlich. Es dürfen jedoch keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen gegen die Verwendung elektronischer Mittel sprechen – etwa eine Gefährdung der Sicherheit des Zeugen oder das Risiko einer unstatthaften Beeinflussung des Zeugen. Ähnliche Regelungen zur Verwendung elektronischer Bild- und Tonübertragungen gelten zudem für die Parteibefragung, die Beweisaussage und die Erstattung von Gutachten.

Der Gesetzgeber hat ebenfalls die Gewährleistung der Öffentlichkeit beim Einsatz elektronischer Mittel geregelt. Drittpersonen muss der Zugang entweder vor Ort oder über elektronische Mittel gewährt werden. Bei grossem Publikumsinteresse kann die Verhandlung beispielsweise in einen anderen Gerichtssaal übertragen oder der Zugang zum Videokonferenzraum gewährt werden. Diese Regelung gewährleistet die Justizöffentlichkeit und ist insbesondere für Pressevertreter relevant.

3. Das Potenzial digitaler Zivilprozesse

Die neuen Bestimmungen zum Einsatz elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung bieten die Chance, den Rechtsweg flexibler und effizienter zu gestalten. Gerade Verfahrensbeteiligte, denen eine persönliche Teilnahme aus gesundheitlichen oder geografischen Gründen erschwert ist, profitieren von diesen Neuerungen. Die Entscheidung über den Einsatz elektronischer Mittel liegt jedoch abschliessend beim Gericht, das nicht nur darüber befindet, ob diese Mittel genutzt werden, sondern auch, in welcher Form sie zum Einsatz kommen. Zu beachten ist auch, dass eine virtuelle Verhandlung die Zustimmungen der Beteiligten voraussetzt.

Wir unterstützen Sie gerne dabei, die Chancen virtueller Verfahrenshandlungen optimal zu nutzen. Treten Sie mit uns in Kontakt, um Ihre Möglichkeiten und die besten prozessualen Schritte für Ihren Fall zu besprechen. Wir sind für Sie da, virtuell oder persönlich.

Hier finden Sie die Übersicht zur ZPO-Blogreihe.

Autor: Alessio Zolpi

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