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Categories: Tax, Blog

4 April 2025

Eine Häufung von Gerichtsurteilen[1] zur Behandlung von Vermittlungsleistungen bei der Mehrwertsteuer deutet darauf hin, dass die von der Verwaltungspraxis entwickelten Kriterien zur Abgrenzung der von der Steuer ausgenommenen Vermittlung im Finanzbereich wenig praxistauglich sind und mindestens das Abgrenzungskriterium der ablieferungspflichtigen Entschädigung im Sinne von Art. 400 Abs. 1 OR fragwürdig ist. Womöglich trägt auch die abweichende Definition der Vermittlung im Stempelabgabe- und Mehrwertsteuerrecht zur Rechtsunsicherheit bei. Sicherlich dürfte die Häufung von Gerichtsurteilen aber auch darauf zurückzuführen sein, dass die Vermittlung von Leistungen über elektronische Plattformen in den letzten Jahren auch im Finanzbereich stark zugenommen hat.

Warum ist die Abgrenzung relevant?

Grundsätzlich qualifizieren entgeltliche Vermittlungsleistungen als steuerbare Dienstleistungen und das dafür vereinnahmte Entgelt unterliegt der Mehrwertsteuer zum Normalsatz. Eine – in der Praxis gewichtige Ausnahme – betrifft die Vermittlung im Finanzbereich. Laut Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a - e MWSTG sind Umsätze aus der Vermittlung in folgenden Bereichen von der Steuer ausgenommen:

  • Vermittlung von Krediten;
  • Vermittlung von Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien;
  • Vermittlung im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Geschäft mit Geldforderungen, Checks und anderen Handelspapieren;
  • Vermittlung, die sich auf gesetzliche Zahlungsmittel (in- und ausländische Valuten wie Devisen, Banknoten, Münzen) bezieht; und
  • Vermittlung von Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen.

Überhaupt nur wegen der Ausnahme gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a - e MWSTG ist die Frage virulent, ob eine Vermittlung in diesem Sinne und mithin eine von der Steuer ausgenommene Leistung oder eben eine steuerbare Dienstleistung vorliegt.

Wie erfolgt die Abgrenzung?

Gemäss der gerichtlich geschützten Praxis der ESTV ist unter Vermittlung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a - e MWSTG die Tätigkeit einer Mittelsperson zu verstehen, die darin besteht, auf den Abschluss eines Vertrages im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs hinzuwirken, ohne selber Partei des Vertrages zu sein und ohne ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages zu haben. Die Vermittlung ist als eigenständige Mittlertätigkeit auszuüben. Inhaltlich kann die Vermittlung zum Beispiel darin bestehen, einer Vertragspartei die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Vertragspartei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Für die Qualifikation als Vermittlungsleistung im obigen Sinn wird nicht vorausgesetzt, dass es zu einem Vertragsabschluss kommt. Der Vermittler muss aber kausal auf den Vertragsabschluss hinwirken und sein Beitrag muss von einer gewissen Adäquanz ist.

Liegt eine Vermittlertätigkeit im obigen Sinne vor, ist für deren steuerliche Behandlung gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 Bst. a - e MWSTG nicht entscheidend, wie das Entgelt festgelegt wird. Gemäss Praxis der ESTV wird bei finanziellen Zuwendungen, welche der Ablieferungspflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR unterliegen (z.B. Retrozessionen oder Finder's Fees)[2], immer ein Eigeninteresse des Vermittlers unterstellt, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Kunde auf eine Weiterleitung verzichtet beziehungsweise ob eine solche Weiterleitung tatsächlich erfolgt. In der Literatur wird zurecht kritisiert, dass die Praxis der ESTV, wonach das Eigeninteresse bei einer Ablieferungspflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR immer zu bejahen ist, nicht nachvollziehbar ist, zumal gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Eigeninteresse an der Vermittlung der Qualifikation als von der Steuer ausgenommene Vermittlungsleistung nicht entgegensteht[3]. Nach hier vertretener Auffassung sollte auch ein Eigeninteresse am Zustandekommen des vermittelten Geschäfts beziehungsweise Vertrags der Qualifikation als Vermittlungsleistung im obigen Sinn nicht entgegenstehenden. Das Eigeninteresse des Vermittlers sollte der Qualifikation der Vermittlungsleistung nur dann abträglich sein, wenn es sich auf den Vertragsinhalt bezieht. Ein Eigeninteresse am Vertragsinhalt haben grundsätzlich nur die Vertragsparteien, aber in Ausnahmefällen kann auch der blosse Vermittler ein Interesse am Vertragsinhalt haben, nämlich immer dann, wenn ihm aus dem Vertrag Vor- oder Nachteile erwachsen.

Was gilt es bei Nebenleistungen oder Leistungsgesamtheiten zu beachten?

Erbringt der Vermittler neben der Vermittlungsleistung noch andere damit zusammenhängende Leistungen stellt sich die Frage, ob die Vermittlungsleistung als Nebenleistungen oder zusammen mit den übrigen Leistungen als Leistungsgesamtheit zu betrachten ist. Gegebenenfalls folgt die mehrwertsteuerliche Qualifikation der Vermittlungsleistung jener der Hauptleistung oder der Leistungsgesamtheit. Wie folgende aktuellen Gerichtsurteile belegen, hat die ESTV bei der Beurteilung, ob eine Leistungsgesamtheit oder eine Nebenleistung vorliegt, ein erhebliches Ermessen, zumal eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden und auf die allgemeine Verkehrsauffassung und nicht den Parteiwillen abzustellen ist[4]:

  • Im Urteil vom 18. Juni 2024[5] schützte das BVGer die Rechtsauffassung der ESTV, wonach die Transaktionsgebühr beziehungsweise die dieser entgegenstehende Vermittlungsleistung steuerbar sei, da die steuerbare Vermögensverwaltung des Leistungserbringers im Vordergrund stehe. Bei der Vermittlungsleistung handelt es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um eine eigenständige Mittlertätigkeit, sondern vielmehr lediglich eine akzessorische Nebenleistung zur Hauptleistung, welche in der Anlageberatung beziehungsweise Vermögensverwaltung zu sehen ist.
  • Im Urteil vom 1. November 2023[6] ist das BVGer der Auffassung der ESTV, wonach die vom Leistungserbringer erbrachte steuerbare Beratungsleistung im Vordergrund stehe und als Hauptleistung anzusehen sei, womit keine eigenständige Mittlertätigkeit vorliegen könne, nicht gefolgt.

Es empfiehlt sich bei Vermittlungsleistungen im Finanzbereich deren mehrwertsteuerliche Qualifikation genau abzuklären und im Zweifelsfall mittels eines Steuerrulings von der ESTV bestätigen zu lassen.

Autor: Patrik Fisch

 


[1] Vgl. etwa BGer vom 31. Juli 2024 (9C_459/2023), BVGer vom 1. November 2024 (A-3646/2023), BVGer vom 1. November 2024 (A-5117/2023), BVGer vom 18. Juni 2024 (A-5793/2022).
[2] Die Praxis betreffend Ablieferungspflicht stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes, wonach indirekte Vorteile, die der Beauftragte infolge der Auftragsausführung erhalte (konkret: Retrozessionen .beziehungsweise Finder’s Fees), der auftragsrechtlichen Ablieferungspflicht unterliegen (BGE 132 III 460 E. 4.1).
[3] Vgl. etwa BGE 145 II 270.
[4] Vgl. etwa Urteil des BVGer vom 1. November 2023 (A-5117/2023), E. 2.4.4; Urteil des BVGer vom 18. Juni 2024 (A-5793/2022), E. 2.3.4.     
[5] Urteil des BVGer vom 18. Juni 2024 (A-5793/2022).
[6] Urteil des BVGer vom 1. November 2023 (A-5117/2023).

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